Weil die Regensburger Theologen Sabine Demel, Burkard Porzelt und Heinz-Günther Schöttler die „Petition Vaticanum II" unterschrieben hatten, welche Sorge um den Kurs der Kirche äußert und die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils anmahnt, forderte Bischof Gerhard Ludwig Müller die drei Professoren auf, sich beim Papst zu entschuldigen, ihre Unterschrift zu widerrufen und einen kirchlichen Treueeid abzulegen. Die Petition, die mittlerweile über 36000 Gläubige unterschrieben haben, wurde von der Bewegung "Wir sind Kirche" den Bischöfen in Hamburg übergeben.
In einem Gespräch mit Müller haben die drei Professoren ihre Haltung präzisiert und das inhaltliche Anliegen und die Sorge um den Kurs der Kirche bekräftigt. Zugleich verwahren sie sich gegen eine Interpretation der Petition, die das Ansehen oder die Integrität des Papstes infrage stellt. Bischof Müller hat angekündigt, den Vatikan um eine Stellungnahme zu bitten.
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13.3.2009 - La Croix
Des paroles saluées par les catholiques allemands
Surpris par le courrier de Benoît XVI aux évêques, les catholiques allemands apprécient les clarifications apportées et le caractère non négociable de Vatican II
« Nous sommes reconnaissants à Benoît XVI pour sa lettre très franche » : Mgr Robert Zollistch, président de la Conférence épiscopale allemande, salue ainsi le message de Benoît XVI aux évêques. Avec un ton mesuré, mais très soucieux de manifester une profonde unité avec Rome, l’archevêque de Fribourg-en-Brisgau prend acte de la reconnaissance par le pape de « plusieurs pannes » de fonctionnement au Vatican. Il ne manque pas de souligner dans ses propos ce que les évêques allemands répètent depuis le début de la crise : « La suppression de l’excommunication concerne le plan disciplinaire. Elle n’a pas encore répondu aux nombreuses questions doctrinales qui se posent, en particulier quant à la reconnaissance de Vatican II et du Magistère des papes après le Concile » par la Fraternité sacerdotale Saint-Pie X (FSSPX). C’est maintenant à la Congrégation pour la doctrine de la foi de prendre contact avec la FSSPX pour éclaircir ces questions, juge l’évêque allemand.
« Les paroles du pape me remuent, elles apportent des éclaircissements et sont motivantes », a insisté Mgr Zollitsch, réaffirmant que les évêques allemands « se tiennent aux côtés du pape dans la recherche d’une foi de l’Église vivante (…) et pour renforcer l’unité entre les baptisés ». Il précise que ce même souci a guidé les évêques allemands lorsqu’ils ont écrit à Benoît XVI à l’issue de leur assemblée plénière (La Croix du 9 mars).
Le Comité central des laïcs catholiques allemands (ZdK) se limite à un communiqué saluant une lettre « unique » et « un document très personnel ». « La lettre du pape réaf- firme de manière impressionnante son attachement à Vatican II, à la réconciliation entre juifs et chrétiens, à l’œcuménisme et au dialogue interreligieux, commente Hans Joachim Meyer, président du ZdK, qui se dit « reconnaissant » pour cette clarifi- cation dans « le débat en cours ». « Il est clair que la FSSPX doit professer entièrement le Concile », affirme-t-il. Aucune mention, en revanche, de la dernière partie de la lettre où le pape se plaint des critiques venues de l’Église… « Il est très difficile pour nous de travailler sur cette partie de la lettre et nous avons décidé de ne rien en dire publiquement, commente Theodor Bolzenius, porte-parole du ZdK. Nous notons que le pape demande la tolérance pour sa décision, mais n’accepte pas avec la même tolérance ceux qui, à l’intérieur de l’Église, sont d’un autre avis que lui. »
Au sein du mouvement Wir sind Kirche (« Nous sommes l’Église ») qui a soutenu une pétition internationale en faveur du Concile (« Vaticanum 2 »), la lettre de Benoît XVI est accueillie avec « la même surprise que celle qui a accompagné la levée des excommunications », réagit Christian Weisner, son porte-parole. Il salue un « bon geste de collégialité », relevant que « le pape a compris ce qui irritait les évêques, les théologiens et le peuple de l’Église ». « Le pape a exprimé son souci pour les quatre évêques et les 491 prêtres de la Fraternité Saint-Pie-X, nous attendons que ce même souci s’exprime pour les 100 000 prêtres qui en raison de la loi du célibat ne peuvent plus exercer leur ministère, avance Christian Weisner. Ces personnes ont été éduquées dans l’Église, veulent la servir et ne le peuvent plus. Pourquoi l’Église devrait-elle se priver de leur aide ? »
ÉLODIE MAUROT
« Le pape a compris ce qui irritait les évêques, les théologiens et le peuple de l’Église.»
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13.3.2009 - Publik-Forum
Aus der Kirche austreten?
Die einen kehren der katholischen Kirche den Rücken, die anderen wollen kämpfen. Ein Pro & Contra
Die Vorgänge der letzten Wochen haben bei einer Reihe von Katholiken das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie sind aus der katholischen Kirche ausgetreten. Prominentestes Beispiel: der belgische Moraltheologe Jean-Pierre Wils (Publik-Forum 3/2009). Diese Christen können sich mit der katholischen Kirche als Institution nicht mehr identifizieren. Andere sind zwar mit vielen Vorgängen in ihrer Kirche nicht einverstanden, wollen aber in der Kirche bleiben und für Veränderungen kämpfen; so insbesondere die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche«. Ihr Motto: Auftreten statt Austreten. Der Kirchenaustritt ist immer eine persönliche Entscheidung. Er hat aber auch eine kirchenpolitische Signalwirkung. Die Verantwortlichen in der Kirche sollten einen solchen Schritt ernst nehmen. So wie der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der das Thema eigens in seinem vorösterlichen Hirtenbrief anspricht und alle Ausgetretenen bittet, ihren Schritt noch einmal zu überdenken.
NEIN
Von Sigrid Grabmeier
Soll ich oder soll ich nicht? Soll ich aus der Gemeinschaft der Kirchensteuerzahlenden austreten oder nicht? Die Ereignisse der letzten Zeit haben mich dieser Frage wieder einmal nähergebracht. Bislang blieb ich immer standhaft. Warum?
Ich respektiere die Austrittsentscheidung derer, die sagen: Ich kann dieses Zerrbild einer Kirche mit ihren autoritären Strukturen nicht mehr ertragen und möchte nicht, dass mein Geld zur Stabilisierung dieses Systems beiträgt. Oder derer, die sagen: Mein Geld ist der Kirche zwar recht, aber weil ich in meiner Ehe gescheitert bin und jetzt ein neues Glück gefunden habe, werde ich von der vollen kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen, das akzeptiere ich nicht. Oder derer, die sagen: Bei einem kleinen Mädchen, das vergewaltigt wurde, wird die Exkommunikation aller Beteiligten festgestellt, weil es abgetrieben hat; und was ist mit dem Vergewaltiger?
Doch leider beeindruckt ein Kirchenaustritt die Bischöfe bislang nicht im mindesten. Im Jahr 2007 gab es knapp 94 000 Kirchenaustritte. Das sind doppelt so viele, wie derzeit die »Petition Vaticanum 2« unterzeichnet haben. Noch gibt es viele andere Geldquellen, auf die die katholische Kirche zurückgreifen kann. In Deutschland wird sie nicht nur aus Kirchensteuern finanziert, sondern je nach Bundesland auch aus Steuern aller Steuerzahlenden.
Übrigens: Dass die deutschen Bischöfe alle, die aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Kirche austreten, automatisch als exkommuniziert betrachten, ist - auch nach Auffassung des Päpstlichen Rates für die Auslegung von Gesetzestexten - kirchenrechtlich und vor allem theologisch falsch: Ich bin durch Taufe und Firmung Mitglied der Kirche Jesu, nicht durch den Eintrag in einer staatlichen Liste. Insofern steht, wer aus der katholischen Kirche in Deutschland austritt, nicht einfachhin außerhalb der christlichen Gemeinschaft.
Ich sage nicht, dass ich nie austreten werde. Das kann ich nicht versprechen. Aber noch vertraue ich darauf, dass sich innerkirchliches Auftreten lohnt. Ich stehe zur Kirche und möchte sie verändern: menschlicher und zeitgemäßer machen. Eine Nagelprobe wird für mich zum Beispiel sein, ob es gelingt, die Mitsprache und Mitverantwortung des ganzen Kirchenvolks bei der Verwendung der Kirchensteuer zu erreichen. Es ist nahezu unerträglich, wenn der Bischof von Regensburg mein treuhänderisch übergebenes Kirchensteuergeld dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken entzieht, nur weil dessen Präsident Kritik an ihm geübt hat; oder wenn er damit teure Zivilprozesse gegen Gläubige seiner Diözese führt, nur weil sie im Auftrag des Diözesanrats eine Internetseite www.katho Iikenrat-regensburg.de betrieben.
Ich hoffe nach wie vor darauf, dass die Mitgestaltungs- und Kontrollmechanismen in der Kirche deutlich verbessert werden. In der Schweiz zum Beispiel gehen die Steuern direkt an gewählte Kirchensteuergremien der Ortskirchengemeinden, die dann entsprechende Mittel an das Bistum abführen. Wenn dort ein Bischof einen Pfarrer aus dem Amt drängen will, muss er dem Kirchenvolk nachvollziehbare Argumente vorlegen. Solche Modelle gilt es auch andernorts anzustreben. Sie geben mir immer noch die Hoffnung, dass Auftreten statt Austreten die bessere Alternative für eine lebenswerte Kirche ist. Schließlich gilt: Wir sind die Kirche - nicht nur die Bischöfe.
Sigrid Grabmeier, geboren 1962, ist Sprecherin im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche«. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Diözese Regensburg.
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13.3.2009 - Publik-Forum
Mehrere Welten an der Alster
Die katholischen Bischöfe, eine Petition und die Piusbrüder
Ein einziger Bischof bricht aus, als die Oberhirten ihren von Weihrauch umwölkten Zug in den Hamburger Mariendom im Szene-Stadtteil Sankt Georg formieren. Es ist der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Mit der Hand hält er sein purpurnes Bischofskäppi, damit es ihm nicht vom Haupt fliegt, und geht auf eine Frau zu. Sie heißt Maria Heine und hält ein selbst gemaltes Protestplakat den versammelten deutschen Bischöfen entgegen: »Die heilige Kommunion auch für wiederverheiratete Geschiedene!« und »Frauen ins Diakonat!« wird auf dem Plakat gefordert. Bischof Jaschke und die aus Elmshorn zum Gottesdienst der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) angereiste 63-Jährige umarmen einander herzlich. »Wir kennen uns von der Caritas-Arbeit in Schleswig-Holstein«, sagt Maria Heine.
Erzbischof Robert Zollitsch, derVorsitzende der Bischofskonferenz, sorgt anschließend im Gottesdienst für Gelächter, als er die Predigt mit den Worten beginnt: »Wir Bischöfe kommen nicht so oft nach Hamburg, doch Wind und Stürme sind wir gewohnt, warm anziehen müssen wir uns des Öfteren.« Das Evangelium böte eine Steilvorlage für eine harte Predigt: Jesus teilt die Schafherde am Ende der Tage in Gute und Böse. Zollitsch jedoch predigt über das Heilige in einer säkularen, religionsfernen Welt, dass es Aufgabe der Kirche sei, das Heilige in diese Welt zu bringen, »mit dem nötigen Realismus«. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz sagt kein Wort über die Piusbrüder. Seine Predigt jedoch, moderat vorgetragen, ist das klare Gegenprogramm zu den Traditionalisten.
Gebrüllt wird anderenorts wenig später: Ein Stoßtrupp ultrakonservativer Parteigänger der Traditionalisten versucht aggressiv, das öffentliche Abendforum zur Petition Vaticanum II im Saal der Johannisgemeinde in Harvestehude umzudrehen in ein Tribunal gegen die Reformer. Geduldig halten die Vertreter der Petition dagegen. Insbesondere der Hauptreferent, der langjährige Mainzer Pastoraltheologe und Kapuzinerpater Stefan Knobloch. Er verteidigt die Reformen des Konzils. Nach zwanzig Minuten Schlagabtausch melden sich Frauen im zunächst sprachlosen Publikum zu Wort. Sie lenken die Debatte auf Fragen wie: Kann Reform von unten in der hierarchischen Kirche überhaupt gelingen?
Christian Weisner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche, zeichnet bei der Pressekonferenz tags darauf mit Rot die Zahl 36300 auf ein Plakat mit der Petition. So viele Christen haben schon unterzeichnet. Nachmittags übergeben die Initiatoren öffentlich die Petition an den Jesuiten Hans Langendörfer, den Sekretär der DBK. Erst zu Gründonnerstag endet die Unterschriftensammlung.
Thomas Seiterich
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12.3.2009 - Rheinischer Merkur
Die Linie ist klar, aber was hat Rom vor?
Das Nein zur Piusbruderschaft steht. Erzbischof Zollitsch wünscht sich von der Kurie eine bessere Kommunikation.
VON RUDOLF ZEWELL
Die Erklärung der deutschen katholischen Bischöfe zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung spricht eine klare Sprache: Die Priesterbruderschaft St. Pius X. befinde sich „nicht in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche, weil sie sich außerhalb der katholischen Tradition gestellt und die Einheit mit dem Papst aufgekündigt hat“. Damit drehen die Bischöfe den Spieß um und kontern mit der Tradition gegen die Traditionalisten. Sie, die bestimmen wollen, was kirchliche Tradition ist, werden nun aufgefordert, „die Glaubensüberzeugung der ganzen Kirche und besonders die Lehre der Päpste und Konzilien eindeutig zu bejahen und anzunehmen“. Und die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils gehören eben „unaufgebbar zur katholischen Tradition“. Es geht um die Texte zu Religionsfreiheit und Ökumenismus sowie die über die Kirche in der Welt von heute („Gaudium et spes“), in denen die Piusbruderschaft eine Aufweichung des Glaubens der Kirche sieht.
Was an dieser Erklärung, über die eindeutige Stellungnahme hinaus, aufhorchen lässt, ist die Sorge, die die Bischöfe angesichts der gegenwärtigen Krise bewegt. Die breite innerkirchliche Diskussion hinterlässt deutliche Spuren im Kirchenvolk. Ihren schärfsten Ausdruck fand die Auseinandersetzung in der von der Initiative „Wir sind Kirche“ angeschobenen und auch von Theologen unterzeichneten „Petition Vaticanum II“, in der von einer „klaren Richtungsanzeige“ durch Papst Benedikt XVI. gesprochen wird, die eine „Rückkehr von Teilen der römisch-katholischen Kirche in eine antimodernistische Exklave“ befürchten lasse. Der bayerische Episkopat wies dies umgehend zurück: Es sei der Versuch, Papst und Konzil gegeneinander auszuspielen.
Auch die Deutsche Bischofskonferenz geht offensiv auf die in vielen Gemeinden geäußerte Sorge und Unsicherheit ein, welchen Weg die Kirche gehen will: „Die theologischen und pastoralen Maßgaben vor allem des Zweiten Vatikanischen Konzils sind die selbstverständliche Grundlage unseres Bemühens, die Kirche in Deutschland geistlich zu erneuern und der Antwort des Glaubens auf die religiösen Fragen unserer Zeit in Wort und Tat neue Kraft zu verleihen.“
Freundliche Signale vom Rabbiner
Das neu erwachte Interesse an der Dynamik und der Orientierung des Konzils sehen die Bischöfe auch als Chance. Sie beklagen freilich, dass in den erregten Debatten der vergangenen Wochen manches verzerrt und polemisch dargestellt wurde, und weisen „spalterische“ Tendenzen in diese Richtung ebenso scharf zurück wie den Versuch, „das Ansehen und die Integrität des Papstes in Zweifel zu ziehen“. Und zum wiederholten Male wurde bekräftigt, dass nicht der geringste Verdacht des Antijudaismus oder Antisemitismus auf Benedikt XVI. falle. Die von gegenseitigem Respekt geprägten Gespräche höchster jüdischer Repräsentanten aus den USA und aus Israel mit dem Papst in diesen Tagen lassen einen solchen Verdacht ohnehin als absurd erscheinen.
Auch der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, der emeritierte Landesrabbiner Henry G. Brandt, der jetzt Rabbiner in Augsburg ist, sieht den katholisch-jüdischen Dialog auf einer stabilen Basis trotz der Irritationen der vergangenen Wochen, zu denen auch der umstrittene Vergleich zwischen dem Massenmord an den Juden und der millionenfachen Abtreibung von ungeborenen Kindern in Deutschland gehört. Auch wenn Bischof Walter Mixa diesen Vergleich nicht direkt gezogen hat, so hat er doch den medialen Wirkungsmechanismus aufgelöst. Der Bischof und der Rabbiner haben sich inzwischen ausgesprochen, so stand der „Woche der Brüderlichkeit“ in Augsburg nichts mehr im Wege.
Was mit Blick auf die Piusbruderschaft bleibt, ist freilich die Tatsache, dass der Holocaust-Leugner Bischof Williams noch immer dieser Gemeinschaft angehört und diese bisher offensichtlich auch nicht an seinen Ausschluss denkt. Für Verwirrung sorgte in diesem Zusammenhang ein Brief der vier Bischöfe der Piusbruderschaft an den Papst, der ihre Exkommunikation aufgehoben hat. Darin schreiben sie, es handle sich bei den Konzilstexten um „Lehren, die im Gegensatz stehen zum immerwährenden Lehramt der Kirche“. Es sei die Absicht der Bruderschaft, „dem Heiligen Stuhl dabei zu helfen, das richtige Mittel gegen den Glaubensverlust im Innern der Kirche zu finden“. Deshalb sollte der Dialog mit ihr aufgenommen werden. Das Schreiben mit Datum vom 29. Januar wurde jüngst in einer Zeitschrift der Piusbruder- schaft in Frankreich veröffentlicht. Ob es allerdings auch im Vatikan einging, ist unklar.
Pius-Priester sind verboten
Der deutsche Distriktobere der Piusbruderschaft, Pater Franz Schmidberger, hat auf die Erklärung der Bischöfe mit einer Gegenerklärung reagiert und unter anderem festgestellt: „Die deutsche Bischofskonferenz stellt als Bedingung die vollumfängliche Annahme des Konzils, also auch der strittigen und zweideutigen Punkte. Das bedeutet aber nichts anderes als den Dialog beenden, bevor er überhaupt begonnen hat. Wir sehen, dass die deutschen Bischöfe die umstrittenen Punkte des Konzils nicht zur Diskussion stellen wollen und Tabuzonen errichten.“ Besonders heftig reagiert die Priesterbruderschaft, dass gegen sie der Vorwurf erhoben wird, es gebe antisemitische Strömungen in ihren Reihen. Schmidberger erneuerte die von der Bischofskonferenz zurückgewiesene Einladung zu Gesprächen und wirft den Bischöfen vor, damit „gegen das Signal aus Rom“ zu sein.
Die Exkommunikation der vier Bischöfe hat der Papst aufgehoben, sie konnten damit als einfache Mitglieder in die Gemeinschaft der Kirche zurückkehren. Sie dürfen weder die Heilige Messe feiern noch andere Sakramente spenden, also auch keine Priesterweihen, wie sie für dieses Jahr in Deutschland geplant sind. Die Bischofskonferenz hat hier in ganzer Klarheit festgestellt, dass solche Weihen „gravierend gegen die Ordnung und das Recht der Kirche“ verstoßen. Dennoch spricht der deutsche Provinzobere von dem „unhaltbaren Vorwurf der unerlaubten Weihen“ durch die deutschen Bischöfe. Von Rom seien diese Weihen nie untersagt worden.
Für die deutschen Bischöfe liegt es am Heiligen Stuhl zu klären, ob die Piusbruderschaft bereit ist, das Zweite Vatikanum „eindeutig zu bejahen und anzunehmen“ – ohne Wenn und Aber. Die Erklärung wurde in einer nach außen hin demonstrativen Geschlossenheit abgegeben – ein Zeichen, dass sich der Episkopat in einer solch wichtigen Frage einig ist. Damit hat der Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, Rückendeckung für seine Gespräche in Rom, zu denen er am Mittwoch aufgebrochen ist. Dort wird er auch über die beabsichtigten Weihen der Piusbruderschaft sprechen: „Wir werden den Apostolischen Stuhl um eine baldige Erklärung bitten, welche rechtlichen Folgen ein Bischof auf sich zieht, der sie vornehmen würde. Die Verantwortlichen in der Kurie sollten darüber hinaus rasch Verbesserungen im Bereich der internen Abstimmung und der Kommunikation mit den Bischofskonferenzen herbeiführen. Dies gilt besonders für Konfliktsituationen.“
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12.3.2009 - TAZ
Lob für Benedikts Pannenbeichte
Papst-Brief wegen Williamson-Affäre
Dass der Papst Fehler im Zusammenhang mit der Williamson-Affäre einräumt, kommt in der katholischen Kirche in Deutschland gut an. Auch CSU-Politiker Peter Ramsauer lobte den Brief. VON PHILIPP GESSLER
BERLIN taz In Deutschland ist der Brief des Papstes an die Bischöfe zu den Hintergründen der Williamson-Affäre auf positive Resonanz gestoßen. Sowohl in der Politik wie in der Kirche wurde der ungewöhnliche Akt von Benedikt XVI. gelobt. Er hatte "Pannen" bei der Teilrehabilitation der vier exkommunizierten "Bischöfe" der ultratraditionalistischen Pius-Priesterbruderschaft eingeräumt - zu ihr zählt der Holocaust-Leugner Richard Williamson.
In dem seit Donnerstag offiziell vorliegenden Brief des Papstes an seine etwa 5.000 "Mitbrüder im bischöflichen Dienst" nannte es der Pontifex Maximus eine "nicht vorhersehbare Panne", dass die Teilrehabilitation der vier Pius-"Bischöfe" mit Veröffentlichungen über Williamson zusammenfiel. So sei der Frieden in der Beziehung zu den Juden und in der Kirche "für einen Augenblick" gestört worden. Das könne er nur "zutiefst bedauern". Er nannte es eine "weitere Panne", dass "Grenze und Reichweite" der Teilrehabilitation der Pius-Brüder "nicht klar genug dargestellt worden sind".
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer lobte den Brief: "Der Heilige Vater benennt Fehler, die innerhalb des Vatikans gemacht wurden." Ein solcher Schritt sei beispielhaft und mutig. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, erklärte: "Es ist ein Dokument des brüderlichen Umgangs mit uns Mitbischöfen, der geistlichen Unterscheidung und der ehrlichen Rechenschaft gegenüber allen Gläubigen. Seine Worte bewegen mich, sie wirken klärend und motivierend." Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, nannte das Schreiben "ein geschichtlich einmaliges und sehr persönliches Dokument". Aber: "Es bleibt dabei, dass die Pius-Bruderschaft sich rückhaltlos zum Zweiten Vatikanischen Konzil bekennen muss." Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend findet: "Das ist der Papst, wie wir ihn auf dem Weltjugendtag in Köln kennengelernt haben: authentisch, menschlich, versöhnend."
Christian Weisner, Sprecher der Bewegung "Wir sind Kirche" sagte der taz: "Ein sehr honoriger Brief, den Papst Benedikt an die Bischöfe geschrieben hat, ein gutes Zeichen der Kollegialität. Der Brief zeigt, dass der Papst verstanden hat, wie sehr seine damalige Entscheidung die Bischöfe, die Theologen und das ganze Kirchenvolk irritiert hat. Er zeigt aber auch, dass die Petitionen und Appelle in Richtung Rom ihre Wirkung nicht verfehlt haben." Die Petition für die volle Anerkennung des Konzils bleibe aktuell (www.petition-vatica num2.org).
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10.3.2009 - Main-Post
»Vatikan muss sich besser abstimmen«
Interview mit dem Sprecher der Kirchenbewegung »Wir sind Kirche« zur Petition »Vaticanum II«
Das Dekret von Papst Benedikt XVI., mit dem der erzkonservativen Pius-Bruderschaft der Weg zurück in die katholische Kirche geebnet werden sollte, hat für schwere Irritationen gesorgt. Viele Katholiken befürchten, dass dies ein Signal sein könnte, schrittweise die Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verlassen. Dies war Anlass für die Petition »Vaticanum II«. Die ganze Irritation hätte es nach Ansicht des Sprechers von »Wir sind Kirche«, Christian Weisner, nicht gegeben, wenn die Forderung des Vatikans an die Pius-Bruderschaft, das Konzil anzuerkennen, nicht erst am 4. Februar nachgeschoben worden wäre. Mit ihm sprach Günter Wolf
In der von der Kirchenbewegung »Wir sind Kirche« mitgetragenen Petition »Vaticanum II« wird unter der Überschrift »Für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils« ein klarer Kurs bezüglich der Pius-Bruderschaft gefordert. Reicht die Erklärung, die die Deutsche Bischofskonferenz in Hamburg abgegeben hat, aus?
Die Bischofskonferenz hatte einen schwierigen Part zu bewältigen. Denn es gibt innerhalb der Konferenz widerstrebende Meinungen. So hat zum Beispiel die »Freisinger Bischofskonferenz« die Argumentation unserer Petition kritisiert. Natürlich konnte die Bischofskonferenz den Papst nicht offen kritisieren. Aber es war gut und richtig, dass die Bischofskonferenz sich sehr deutlich zum Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils bekannt hat, wofür die Bischofskonferenz jetzt selbst von der erzkonservativen Pius-Bruderschaft unter Beschuß genommen wird. Leider haben die Bischöfe kein gemeinsames Hirtenwort für die Gläubigen in Deutschland zustande gebracht. Ich fürchte, da werden manche Bischöfe ihre eigene Sicht der Dinge unters Volk bringen.
Noch in dieser Woche wird der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, nach Rom reisen. Welche Botschaft soll er dem Papst mitbringen?
Er muss deutlich machen, dass die interne Abstimmung innerhalb des Vatikans verbessert werden muss. Besonders auch die Abstimmung mit den nationalen Bischofskonferenzen. Weder die deutschen noch die französischen Bischöfe waren über das Dekret vom 21. Januar zur Pius-Bruderschaft rechtzeitig informiert, obwohl beide Kirchen davon besonders betroffen sind. Er muss auch deutlich machen, wie ernst und betroffen die Gläubigen in Deutschland sind. Das Kirchen- und Papst-Bild vieler Gläubigen wurde erschüttert.
Der Papst kommt 2010 nach Deutschland. Kann dieser Besuch helfen, Irritation über den »deutschen Papst« in seiner Heimat zu beseitigen?
Kardinal Ratzinger wurde im Jahr 2005 überraschend zum Papst gewählt. Seine Wahl wurde damals in Deutschland sehr positiv aufgenommen. Dabei schwang die Hoffnung mit, dass er als Papst einen anderen Kurs steuern würde als den, den er fast 25 Jahre als Präfekt der Glaubenskongregation verfolgte. Seine erste Enzyklika deutete darauf hin. Doch bald stellte sich heraus, dass Benedikt XVI. zwar Amt und Gewänder gewechselt hat, seine kirchenpolitische Linie aber keineswegs aufgegeben hat. Ich möchte zwei Beispiele nennen: die völlige Freigabe der vorkonziliaren Messe und seine umstrittene Karfreitagsfürbitte, mit der vor allem die jüdischen Befindlichkeiten verletzt werden.
Nun wird der Papst Mitte Mai nach Israel reisen. Können damit Befürchtungen eines neuen Antijudaismus in der Kirche beseitigt werden?
Dem Papst kann man sicher keine antijudaistischen Tendenzen unterstellen. Aber es gab sie lange Zeit in der Kirchengeschichte und gibt sie leider immer noch – wie die Piusbruderschaft und die unsinnigen Äußerungen des Bischofs Williamson belegen. Die Reise des Papstes im Mai ist eine sehr heikle Mission. Es wird hohe Sensibilität erfordern, die religiöse und politische Balance zu wahren. Der Papst darf sich nicht zu einem Lager hinziehen lassen. Bezeichnend ist ja, das Christen in Israel von einer Reise zum jetzigen Zeitpunkt abgeraten haben. Der Papst sollte nicht nur auf israelische, sondern auch auf arabische Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, allein schon um der Christen in diesen Ländern und in Palästina willen.
Stichwort: Petition Vaticanum II Die Petition »Für eine uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils« wurde als international offene Petition am 29. Januar veröffentlicht und den Bischöfen der Katholischen Bischofskonferenz in Hamburg überreicht. Die Unterzeichner (inzwischen mehr als 36 000) kritisieren, dass mit der Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Pius-Bruderschaft nun innerhalb der Kirche offen Geist und Buchstabe bedeutender Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils abgelehnt werden. Dies sei mit dem jüdisch-christlichen Hauptgebot der Gottes- und Nächstenliebe nicht vereinbar . Die Zeichnungsphase der Petition läuft noch bis 9. April. gw