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10.4.2009 - Publik-Forum
Gotteskrieger im Internet
Kath.net und kreuz.net: Zwei »katholische« Plattformen im Web machen Meinung und heizen den Streit in der Kirche an

Von Thomas Seiterich

Sie heizen die Auseinandersetzung um den Kurs der katholischen Kirche kräftig an: die Internetdienste kreuz.net und kath.net. Was sie verbindet: Beide sind Kampfmedien. Dabei ist kreuz.net jedes Mittel recht, wenn es Salve auf Salve gegen Katholiken feuert, die nicht rechtskonservativ sind. Der angesehene Kardinal Georg Sterzinsky wird von kreuz.net als »der Judas von Berlin« tituliert, weil er sachte Kritik am Papst wegen der Wiederaufnahme des Holocaust-Leugners und Traditionalistenbischofs Richard Williamson in die Kirche geäußert hatte.

Die beiden Internetmagazine sind höchst unterschiedlich: kath.net ist äußerst konservativ, doch seriös. Wer jedoch hinter dem weit radikaleren kreuz.net steckt, bleibt, wie bei vielen Schmuddel-Seiten, im Dunkel. Als Eigentümer firmiert ein Sodalitium for Catholic Communication mit Sitz in El Segundo, Kalifornien. Der Ort liegt in der Fluglärmzone gleich neben dem internationalen Flughafen von Los Angeles und ist »berühmt« durch Gewaltverbrechen und Polizeiaktionen. Der Server von kreuz.net steht in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Das Textangebot wird »eindeutig aus Österreich gesteuert«, analysiert das Wiener Nachrichtenmagazin Profil. kreuz.net beschränkt sich nicht auf Katholisches, sondern hetzt auch gegen manche evangelische Christen.

Letzten Herbst veranstaltete kreuz.net eine Treibjagd gegen eine junge evangelische Gemeindepfarrerin im südhessischen Egelsbach. Die Theologin der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau lebt seit einigen Monaten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer Frau. Das lesbische Paar hat ein farbiges Kind adoptiert. Sowohl die evangelische wie auch die katholische Ortsgemeinde stellten sich vor die Angegriffenen.

Der vom Papst rehabilitierte Holocaust-Leugner Williamson darf in kreuz.net seitenweise seine Theorie darlegen, »warum niemand durch Vergasung in den Gaskammern« der Nazis ermordet worden sei. Die Kritik an Williamson sei ein »Empörungsfestival«, giftet kreuz.net. Die Juden hätten den Holocaust zur neuen Religion gemacht und erpressten damit die Kirche, so die Linie von kreuz.net. Damit ist für Deutschland der Rechtstatbestand der Volksverhetzung erfüllt. In Kalifornien, dem »Sitz« von kreuz.net, steht die Leugnung des Holocaust allerdings nicht unter Strafe.

Insbesondere Homosexuellen sowie aufgeschlossenen Katholiken, vom Mainzer Kardinal Karl Lehmann bis zu den Aktiven von Wir sind Kirche, gilt der Hass von kreuz.net. Dazu passt ein Impressum, das auf Anonymität setzt: »kreuz.net ist die Initiative einer privaten Gruppe von Katholiken in Europa und Übersee, die hauptberuflich im kirchlichen Dienst tätig sind. kreuz.net akzeptiert ohne Namen eingereichte Informationen und betrachtet es als Ehrensache, die strikte Anonymität seiner Informanten zu wahren.«

Die »Katholischen Nachrichten«, so der Untertitel von kreuz.net, stellen sich in die Tradition der Gesinnungspolizei Sodalitium Pianum (SP). Der erzkonservative Papst Pius X. förderte den 1909 gegründeten Geheimdienst. Nach jenem Pius X. benennt sich die Priesterbruderschaft der Traditionalisten. Das von dem Priester Umberto Benigni geleitete Sodalitium Pianum arbeitete ähnlich wie heute der sich ebenfalls als »Sodalitium« bezeichnende anonyme Betreiber von kreuz.net. Die geheimniskrämerischen Sodalitium-Mitglieder bezeichneten sich als »Cousins« und gebrauchten Codenamen, ähnlich wie heutige Teilnehmer an Foren in kreuz.net. Die Arbeitsweise schloß Bespitzelung und anonyme Denunziation ein. Der dem päpstlichen Staatssekretariat zugeordnete Spitzeldienst schuf ein Klima kalter Angst. Erst der aufgeschlossene Benedikt XV. unterband ab 1914 den bösen Spuk. Monsignore Benigni verließ die Kirche. Aus dem kühlen Theologenjäger wurde ein Antisemit und Verfolger liberaler und linker Demokraten: Benigni diente Italiens Faschistenführer Benito Mussolini als »Experte« bis 1934. Kath.net ist seriöser und steht den »Christen« nahe, die bei österreichischen Nationalratswahlen gegen die christdemokratische ÖVP antraten. Der Dienst wird von dem Mühlviertler Roland Biermeier gestaltet, der durch Heirat zu einem Baron Roland Noé de Nordberg avancierte. Noé verfügt über beste Verbindungen in den Vatikan. So war er dabei, als Österreichs Ski-Nationalequipe im Sommer 2007 auf Vermittlung von Papst-Sekretär Georg Gänswein in Rom empfangen wurde. Augenzeugen zufolge soll der Papst Noé angesprochen haben: »Sie kommen von kath.net? Sie verbreiten wichtige Nachrichten.«

Nahezu im Stundentakt wird die Internetseite von kath.net aktualisiert. Alle, die unter den Konservativen Rang und Namen haben, kommen breit zu Wort. Daneben findet sich Frommes wie zum Beispiel der Artikel »Die Jungfräulichkeit Marias und ihre Bedeutung für unsere Zeit – Betrachtungen der geistlichen Familie Das Werk«. kath.net agiert weitaus solider als kreuz.net. Der Ton ist nicht durchgängig aggressiv. Während bei kreuz.net anonyme Zusendungen erwünscht sind, findet solch unfaire Recherche bei kath.net nicht statt.

Das Impressum weist kath.net als »unabhängiges, katholisches, österreichisches Internetmagazin« aus, ein »Non-Profit-Unternehmen« in der Mozartstraße 1 in Linz. Die acht Redakteure sind namentlich aufgezählt. Sie sind dem kirchlich und politisch rechten Katholizismus in der Alpenrepublik zuzuordnen. Jener überschaubaren Minderheit in der österreichischen Kirche, der etliche Bischöfe und die katholische Regierungspartei ÖVP seit einiger Zeit zu »lau« sind. In Deutschland neigt der Kölner Kardinal Joachim Meisner zu ähnliche Positionen. Die Linie von kath.net ist dem Papst stets blind ergeben.

Und wenn zum Beispiel der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller »durchregiert« und drei Theologieprofessoren in die Mangel nimmt, weil sie die konzilsfrohe Petition vatikanum2.org unterzeichnet haben, dann berichtet kath.net über jedes Detail. Daneben finden sich Artikel aus der Deutschen Tagespost und die »Große Unterschriftensammlung Ja zu Benedikt!« 19 772 Personen, darunter 224 Frauen in der Rubrik »virgo consecrata«, haben diese bis 2. April unterzeichnet.

 

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April 2009 - Kirche In (Kolumne "Unzensiert")
Wir sind (wieder) Kirche
„Wir sind Papst“ hieß es im übertriebenen Nationalstolz, als Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde. Die Medien hofierten ihm, die Buchverlage machten Rekordgewinne mit seinen Büchern. Doch nach der bedingungslosen Aufhebung der Exkommunikation der vier Pius-Weihbischöfe ist der Benedetto-Hype endgültig vorbei. Daran ändert auch der Entschuldigungsbrief des Papstes vom 10. März nichts mehr.

„Wir haben keine Kirchenkrise sondern eine Kirchenführungskrise“, analysierte der internationale Nothelfer Rupert Neudeck (Cap Anamur, Grünhelme) zu Recht. Er sagte dies anlässlich der Übergabe des Zwischenstandes der „Petition Vaticanum2“ an die Deutsche Bischofskonferenz Anfang März in Hamburg. Mit dieser internationalen Petition, mittlerweile in 14 Sprachen übersetzt, fordern Theologen und Theologinnen wie Kirchenvolk die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils (www.petition-vaticanum2.org).

Die Auseinandersetzung um die Piusbruderschaft lässt die Frage immer drängender werden, wohin Papst Benedikt das Kirchenschiff steuern will. Doch der Kurs kann nur auf der vom Konzil vorgezeigten Linie liegen. Da erscheint es wie eine „paradoxe Intervention des Heiligen Geistes“ (Peter Bürger), dass die unsägliche Entscheidung des Papstes dieses Reformkonzil, vor genau 50 Jahren von Papst Johannes XXIII. erstmals angekündigt, wieder so in den Focus gerückt hat.

„Wer meint, eine solche Petition gehöre sich nicht, sie lasse es an Ehrfurcht gegenüber dem Papst mangeln, der verkennt die vom Heiligen Geist geleitete Aufgabe des Volkes Gottes gegenüber der Kirchenleitung“, sagte der Mainzer Pastoraltheologe und Kapuziner Stefan Knobloch bei der Übergabe der Petition. Denn nicht nur der Papst, nein, wir alle sind Kirche. Und aus der Kirchenvolks-Bewegung heraus ist eine neue Konzils-Bewegung entstanden.

Christian Weisner

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www.petition-vaticanum2.org | info@petition-vaticanum2.org