München – Die Petition „Für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils” sorgt innerkirchlich weiter für Diskussionen. In einer von der Freisinger Bischofskonferenz veröffentlichten Erklärung wird die Argumentation in dem Papier kritisiert. Die Behauptung, Papst Benedikt XVI. lasse zu, dass der Geist des II. Vatikanischen Konzils von Teilen der katholischen Kirche „geleugnet werden dürfen”, widerspreche den Tatsachen, so die bayerischen katholischen Bischöfe.
Der Vatikan habe am 4. Februar von der Piusbruderschaft die volle Anerkennung des ganzen Lehramts der Kirche und des II. Vatikanischen Konzils gefordert, heißt es in der Stellungnahme weiter. Dies sei die unabdingbare Voraussetzung für die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. „Wir weisen den Versuch, Papst und Konzil gegeneinander auszuspielen, sowie den Vorwurf, der Papst verrate das Konzil, entschieden zurück”, betonen die bayerischen Bischöfe. Das Konzil habe den katholischen Glauben auf überzeugende Weise dargestellt und sei in seiner Gesamtheit für die katholische Kirche verpflichtend. Mehr als 20 000 Personen haben die unter www.petition-vaticanum2.org im Internet zu findende Petition bisher unterschrieben, darunter drei Regensburger Theologie-Professoren. Sie war Anfang Februar als Reaktion auf die Rücknahme der Exkommunikation illegal geweihter Bischöfe verfasst worden. KNA
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27.2.2009 - Süddeutsche Zeitung
Bischöfe gegen Bittschrift
München – Die bayerischen Bischöfe haben eine Petition verurteilt, die Papst Benedikt XVI. kritisiert, weil er die Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen aufgehoben hat. In einer Erklärung der Freisinger Bischofskonferenz heißt es, die Petition unterstelle dem Papst, er erlaube, „dass Geist und Buchstaben des II. Vatikanischen Konzils von Teilen der katholischen Kirche geleugnet werden dürfen”; dies stehe „im strikten Widerspruch zu den Tatsachen”. Die Erklärung schließt sich weitgehend der Auffassung des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller an, der drei Professoren mit Sanktionen bedroht hat, weil sie die Bittschrift unterschrieben haben. Die Initiatoren haben mittlerweile fast 30 000 Unterschriften gesammelt. mad
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26.2.2009 - Reuters Blogs FaithWorld
Tens of thousands sign petitions backing or criticising pope
Posted by: Tom Heneghan
Tens of thousands of people have signed petitions either backing or criticising Pope Benedict for readmitting ultra-traditionalist Bishop Richard Williamson into the Roman Catholic Church. The supporters are ahead in statistical terms, but this isn’t really a representative sample so it’s hard to draw any firm conclusions. It does give some idea, though, of how much interest the issue has created.
The Süddeutsche Zeitung in Munich reports today that about 30,000 people, including many theologians, have signed a petition criticising the readmission of ultra-traditionalist Bishop Richard Williamson and urging Pope Benedict to defend the reforms of the Second Vatican Council. The petition (here in English translation) was launched by the lay reform movement Wir sind Kirche (We are Church), which the SZ says will present it to German bishops holding an assembly in Hamburg next week.
Searching on the support side, I found a French-based petition claiming 47,222 signatures so far. It praises Benedict for lifting the excommunications of the four SSPX bishops and adds: “By this brave gesture, You acted (as) the Good Shepherd of the flock entrusted to You by God.” The site includes a “letter of encouragement” by Rev. Régis de Cacqueray, head of the large French chapter of the SSPX, and sports a selection of logos from traditionalist websites — mostly not SSPX — supporting the petition.
One other petition that popped up on a google search was on the website of the French Catholic weekly La Vie, this one critical of the move as its title signals: “No negationists in the Church.” It doesn’t tally its figures but it has 90 intellectuals as initial signatories and over 6,000 comments from readers.
Any other petitions like this out there?
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26.2.2009 - Süddeutsche Zeitung
30 000 kritisieren den Papst
Immer mehr Gläubige stützen Petition gegen Williamson
München – Ungefähr 30 000 Menschen, darunter zahlreiche Theologieprofessoren, haben bislang eine Petition unterschrieben, die Papst Benedikt XVI. für die Aufhebung der Exkommunikation des Traditionalisten-Bischofs und Holocaustleugners Richard Williamson kritisiert. Das verlautete aus den Kreisen der Initiatoren. Eine offizielle Zahl soll während der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe veröffentlicht werden, die am Montag in Hamburg beginnt. Die Petition sorgt für Unruhe unter den Deutschen Bischöfen, seit der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller drei unterzeichnenden Professoren mit Strafen gedroht hat, wenn sie ihre Unterschrift nicht zurückziehen. Trotz einer vom Bistum und der theologischen Fakultät Regensburg gemeinsam veröffentlichten Erklärung, die den Streit beilegen sollte, ist für Bischof Müller die Angelegenheit offenbar noch nicht erledigt. In einem Interview nannte er die Erklärung einen „Angriff auf den Papst”. Dem widersprach einer der Autoren der Petition, der Heidelberger emeritierte Professor Norbert Scholl, in einem offenen Brief an Müller. Die Bittschrift sei „aus großer Sorge um das Wohl der Kirche” verfasst worden. Mit seinem Vorgehen gegen die Unterzeichner stoße Müller „zunehmend auf Unverständnis” – selbst bei den Bischofskollegen. Er, Scholl, habe in der DDR erlebt, „wie viele Pfarrer und gläubige Katholiken unter dem Machtapparat des DDR-Regimes gelitten haben”. Von einem Bischof aber erwarte er, dass er, satt Unterwerfung zu fordern, den Dialog suche. mad
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23.2.2009 - TAZ
Kritische Theologen in Regensburg
Die Widersacher. Drei Regensburger Theologen und ein Pfarrer haben Ärger mit dem Bischof. Sie haben einen Protestbrief gegen die kirchliche Rehabilitation von Holocaustleug-ner Williamson unterschrieben.
VON PHILIPP GESSLER
REGENSBURG/DEGGENDORF taz In Regensburg wütet der Teufel an jeder Ecke. "Es gibt den Widersacher", sagt ein 43-jähriger Katholik mit bayerischem Zungenschlag vor der Kirchenpforte der Herz-Jesu-Gemeinde am Rande der schmucken Altstadt. "Es sind böse Geister, die uns beeinflussen. Da muss man auf der Hut sein." Die Messe am Donnerstagabend ist zu Ende. Es war ein Gottesdienst mit gerade mal einem Dutzend Gläubigen. Sie verloren sich im ziemlich großen Kirchenschiff. Still war es, auch ein wenig trist. Das leise Schnaufen des Altpfarrers wurde von den Lautsprechern verstärkt. Sein Nachfolger, Pfarrer Martin Müller, fehlte. Vielleicht hat das mit dem Ärger zu tun, den er mit seinem Bischof hat. Der heißt auch Müller.
Gerhard Ludwig Müller ist Regensburgs Oberhirte und herrscht ganz nahe im prächtigen Dom. Seine Schäfchen hier wissen um die Ambitionen des reaktionären Kirchenfürsten. "Vielleicht wird unser Bischof ja noch zu etwas anderem berufen", sagt der Gläubige mit der Teufelsangst. Dieser höllische Ehrgeiz des Bischofs ist der tiefere Grund für den Konflikt, den Bischof Müller mit seinem wackeren Pfarrer Müller hat - und, wichtiger noch, mit drei Theologen der örtlichen Universität.
Seit gut einem Monat befindet sich die katholische Kirche mit ihrer über einer Milliarde Gläubigen weltweit in der Krise, weil sie vier exkommunizierte, ultratraditionelle "Bischöfe", darunter den Holocaustleugner Richard Williamson, wieder aufgenommen hat. Nun hat der Konflikt auch innerhalb der deutschen Kirche einen hochexplosiven Ableger bekommen. Dutzende Theologen katholischer Fakultäten protestierten in mehreren Petitionen gegen die Wiederaufnahme des Holocaustleugners Williamson und der anderen drei "Bischöfe" der Pius-Priesterbruderschaft. Auch drei Theologen von der Regensburger Uni haben einen solchen Protestbrief unterstützt - die eher harmlose "Petition Vaticanum 2". Tausende haben sie unterschrieben. Dennoch ist Bischof Müller erzürnt.
Das Ganze ist mehr als eine Provinzposse, weil hier die Freiheit der Lehre an den hiesigen Universitäten und die Freiheit in der Kirche fundamental angegriffen wird. Bischof Müller schrieb den Regensburger Theologen Burkard Porzelt, Heinz-Günther Schöttler und Sabine Demel am 9. Februar per Einschreiben mit Rückschein: "Sie unterstellen dem Papst ein Handeln zum Schaden der Kirche", heißt es in dem zweiseitigen Schreiben Müllers, "damit haben Sie sich selbst als katholischer Theologe disqualifiziert." Der Bischof fordert von den Wissenschaftlern mit einem Ultimatum bis zum heutigen Montag eine Distanzierung von der Petition, eine schriftliche Entschuldigung beim Papst ("zur Weiterleitung über mich") - und das Ablegen eines Treueeids und des Glaubensbekenntnisses vor ihm. Sonst drohten "weitere Schritte".
"Ich war über den Brief außerordentlich überrascht", berichtet Burkard Porzelt in seinem Professorenzimmer. Es sind Semesterferien, leger ist der 46-Jährige gekleidet. Ruhig schaut er auf eine verschneite Wiese. Porzelt hat einen angegrauten Dreitagebart, in eine Gauloises-Reklame passte er gut. Aus der Radtasche kramt er den Bischofsbrief. Der Theologe gönnt sich lange Redepausen, wägt gerade jedes Wort ganz genau. "Ich gehe davon aus, dass es für alle Katholiken und Theologen das Recht gibt, sich zu positionieren."
Am Donnerstag erhielt der Bischof als Reaktion einen gemeinsamen Brief der drei Theologen. Der Inhalt ist geheim. Am Freitag dann traf sich der Oberhirte mit dem Dekan der theologischen Fakultät. Danach äußerte sich das Bistum am Abend nur knapp auf ihrer Homepage. Der Kernsatz: "Alle Professoren einschließlich der drei Unterzeichnenden lehnen eine Interpretation der Petition ab, wonach dem Papst eine mangelnde persönliche und lehramtliche Integrität unterstellt wird." Die Professoren erklärten später in einer Pressemeldung, sie stünden "nach wie vor uneingeschränkt zum Inhalt dieser Petition". Ein Zukreuzekriechen hört sich anders an.
Die drei Theologen haben in den vergangenen Tagen von Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland viel Solidarität erfahren. Kritik am Bischof leistet sich Porzelt dennoch nur durch die Blume, ja durch einen ganzen Blumenstrauß: "Ich wünsche mir ein Verhältnis von Wissenschaft und Bischofsamt, das von Vertrauen geprägt ist und bei dem konstruktive Kritik als selbstverständlich erachtet wird", betont Porzelt. Habe er Angst um seinen Lehrstuhl? Forscher und Lehrer zu sein, sagt er, das liege ihm am Herzen. "Aber das bedeutet nicht, dass ich mir Angst einjagen lassen muss."
Der Bischof selbst ist natürlich nicht zu sprechen. Das Ganze sei ein "interner Vorgang", erklärt ein Pressereferent, und außerdem sei "alles schon gesagt". Er verweist auf die Homepage der Diözese, wo der Mahnbrief des Bischofs online gestellt wurde. Dort ist auch sehr prominent eine Anzeige für eine andere Unterschriftenliste geschaltet: "Ja zu Benedikt" nennt sich die Petition, die bereits über 12.000 Menschen unterschrieben haben. "Heiliger Vater Benedikt XVI.!", heißt es da, "wir - die Unterzeichner - wehren uns gegen die maßlosen Angriffe in den Medien gegen Sie - unseren Hirten." Zu gewinnen gibt es bei einer Unterschrift auch einen von 10 "Crossplayern" - "den katholisch-trendigen MP3-Player im Kreuz-Design!".
Wer den vatikankritischen Brief unterschreibt, kann dagegen nichts gewinnen außer Ärger mit dem Bischof, wie ein katholischer Seelsorger erzählt, der unerkannt bleiben will. Wie andere Geistliche musste er beim Bischof antanzen, als online nachzulesen war, dass auch er die "Petition Vaticanum 2" unterstützt hatte. "Die Sache wurde in freundlicher Atmosphäre und gütlich beigelegt", diktiert er in den Block. Er habe seinem Oberhirten deutlich machen können, dass er nicht unterschrieben habe, um den Papst anzugreifen. "In dieser Richtung konnte man sich einigen", sagt der Geistliche. Wolle sich Bischof Müller mit seiner Aktion gegen die Professoren beim Papst lieb Kind machen? Da lächelt der Geistliche fein - und führt einen Zeigefinger als Geste des Schweigens an seinen Mund.
Tatsächlich profiliert sich Bischof Müller seit Jahren am kirchenpolitisch rechten Rand seiner Kirche - immer mit einem devoten Blick auf Rom, wo man seine Aktionen mehr oder weniger offen unterstützt hat. Der Bischof hat 2008, nachdem die Universität nicht recht anbiss, ein eigenes "Institut Papst Benedikt XVI." gegründet, das alle Schriften des Pontifex maximus editieren will - die Schleimspur dürfte ohne Problem bis zum Tiber reichen.
In seinen bald sieben Jahren als Bischof hat Müller schon zwei fortschrittliche Pfarrer und einen Professor abgesägt. Zudem mit viel Lob aus Rom, jedoch unter scharfer Kritik etwa von Kardinal Karl Lehmann die Laienvertretungen auf Diözesan- und Gemeindeebene entmachtet. Fünf kirchliche und noch mehr weltliche Prozesse gegen liberale Geister oder Anliegen hat er schon geführt. Dazu kamen Possen wie die kostspielige Um- und Höhersetzung seines Bischofssitzes im Regensburger Dom, angebliche Kosten: zehntausende Euro. Schön ist auch die Order seines Generalvikars an den Priesterrat, wie Exzellenz zu empfangen sei: "Der Pfarrer muss sichtbar und erkennbar sein und den Bischof an der rechten hinteren Tür des Autos begrüßen." Solches Gebaren hat ihn unter seinen Schäfchen nicht gerade beliebt gemacht. Ungefragt lästern brave Katholiken des Bistums über ihren Oberhirten: "In Regensburg gibt es nicht nur eine päpstliche, sondern auch eine bischöfliche Unfehlbarkeit." Oder: "Der geht mit seiner Mitra sogar ins Bett."
Um offenen Widerstand gegen Müller zu finden, muss man ins beschauliche Deggendorf fahren. Es liegt etwa 70 Kilometer von Regensburg entfernt. Dort lehrt Johannes Grabmeier Wirtschaftsinformatik. Bis 2003 war der 52-Jährige ein führender Laienvertreter in seinem Bistum. Dann wurde er von Bischof Müller gefeuert. Seitdem befehden sich die beiden, inner- und außerhalb der Gerichte. Grabmeier und seine Frau Sigrid, eine Sprecherin der "Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche", haben den Verein "Laienverantwortung Regensburg" mitgegründet. Spitz schreibt der Verein, zwei Triebfedern steuerten Bischof Müller immer mehr: "Zum einen seine Anbiederung an die Person des Papstes, zum anderen sein ständiges und reflexartiges Entwickeln von Verschwörungstheorien." Und weiter: "Es wirkt nahezu absurd, wenn der Papst den Verweigerern der Lehren des Vaticanums II mehr als eine Hand entgegenstreckt, der Bischof von Regensburg aber drei Theologen attackiert, die sich gerade für diese Lehren einsetzen." Sigrid Grabmeier erzählt, sie habe mehrere Pfarrer gefragt, ob sie die Petition stützen wollten. Oft hörte sie die Antwort: "Nein, ich habe Angst." Glaubt sie, dass Müller einen Kompromiss mit den Theologen eingehen wird: "Wenn er schlau ist: ja. Aber er ist nicht schlau", sagt sie.
In Regensburg will Pfarrer Martin Müller von der Herz-Jesu-Kirche nicht über seine Unterschrift unter die "Petition Vaticanum 2" reden, auch nicht über die Folgen für ihn: "Ich sage nichts", sagt er kurz am Telefon. Vor der Tür seiner Kirche steht nach der Messe ein engagiertes Gemeindemitglied. Die Frau findet seine Unterschrift unter die Petition okay. "Nicht in Ordnung" aber sei der Rüffel ihres Bischofs gegen die Theologen: "Ich kann in dieser Petition keinen Angriff gegen den Papst erkennen", sagt sie. Ihren Namen will sie nicht nennen.
Mutiger sind da die Biermösl Blosn. Die Eskapaden des Bischofs inspirierten sie zu einem Lied über ihn. Es heißt: "Hoaz Sparifankerl - Heiz ein, Teufel". Darin singen die Volksmusiker die Zeile: "Waar der no länger Bischof bliebn, na waar er für d Höll no z schlecht", also: Wäre der noch länger Bischof geblieben, dann wäre er für die Hölle noch zu schlecht. In Bayern ist der Leibhaftige nie fern.
KIRCHE UND LEHRBEFUGNIS
Die Kirche hat Macht an der staatlichen Universität, zumindest bei der Besetzung der Lehrstühle für Katholische Theologie: Die rechtliche Grundlage für diesen Einfluss ist das bayerische Konkordat. Es wurde geschlossen zwischen dem Vatikan und der bayerischen Landesregierung und regelt das Verhältnis von Staat und Kirche im Freistaat. Laut Artikel 3 des Konkordats kann die jeweilige Diözese, in diesem Fall das Bistum Regensburg, einem Theologieprofessor oder einer Theologieprofessorin den Lehrauftrag entziehen. Der Staat muss dann für den oder die geschassten Hochschullehrer/in eine andere Aufgabe finden.
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22.2.2009 - Radio Vatican
D: Nach Canossa gehen sie nicht
Die drei Regensburger katholischen Theologen wollen nicht der Forderung von Bischof Gerhard Ludwig Müller nachkommen, sich beim Papst zu entschuldigen. Die Kirchenrechtlerin Sabine Demel sagte, sie und ihre beiden Kollegen sähen dazu keinen Anlass. Sie hätten den Papst nicht beleidigt, weshalb sie sich auch nicht entschuldigen müssten. Auch für die Wiederholung von Treueeid und Glaubensbekenntnis bestehe kein Grund, weil sie von beidem nicht abgewichen seien. Demel und die beiden Professoren Burkhard Porzelt und Heinz-Günther Schöttler hatten eine inzwischen von mehr als 20.000 Personen unterzeichnete Petition unterstützt, in der die Aufhebung der Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen kritisiert wird. Es werde zugelassen, dass Teile der Kirche offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnen dürften, heißt es darin. Zum Inhalt der Petition stünden sie „nach wie vor uneingeschränkt“, heißt es in einer Presseerklärung der drei Professoren. Sie seien weiterhin bereit, dem Bischof im Gespräch ihre Sorge für die Kirche zu verdeutlichen. Müller hatte den Theologen vorgeworfen, sie unterstellten dem Papst ein Handeln zum Schaden der Kirche. Ultimativ forderte er sie zur persönlichen Entschuldigung bei Benedikt XVI. auf. Bis Rosenmontag sollten die Professoren vor dem Bischof persönlich erneut einen Treueeid ablegen und das Glaubensbekenntnis sprechen. Andernfalls kündigte Müller „weitere Schritte“ an.
Unterdessen sprach Müller am Freitag mit der Fakultätsleitung in Regensburg. Nach der Unterredung gaben die Beteiligten eine gleichlautende Erklärung ab. Ob der Konflikt damit beigelegt ist, ist unklar. Die Bistumsleitung machte auf Nachfrage keine weiteren Angaben. In der Erklärung wird das Recht des Ortsbischofs festgehalten, für die Kirchlichkeit der Theologie Sorge zu tragen. Es bestehe Einigkeit darin, dass alle theologisch Lehrenden besondere Verantwortung für die wissenschaftliche Sorgfalt und das Wohl der Kirche hätten.
Zur umstrittenen vatikankritischen Petition heißt es: Alle Professoren lehnten eine Interpretation der Petition ab, wonach dem Papst eine mangelnde persönliche und lehramtliche Integrität unterstellt werde. Es sei selbstverständlich, dass alle Lehrenden an einer katholisch-theologischen Fakultät die Lehre der Kirche einschränkungslos anerkennten. Die Loyalität zum kirchlichen Lehramt sei selbstverständlich.
(kna 22.02.2009 sk)
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21.2.2009 -Telepolis
Letzte Bastion des Feudalismus
Peter Bürger
Eine Petition des katholischen Kirchenvolks macht den Verteidigern des Papstes Angst. Der Regensburger Bischof erpresst drei Theologen mit einer verhüllten Drohung
Das Internet hat die römisch-katholische Kirche erreicht und sorgt derzeit offenbar dafür, dass die bürgerliche Revolution in einer der letzten Bastionen des Feudalismus nachgeholt wird. Ab dem 29. Januar hatten zunächst Theologinnen und Theologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Erklärung "für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils (1962-65)" unterschrieben. Seit diese Petition vielsprachig ins Netz eingestellt worden ist, wächst die Zahl die Zahl der Unterzeichnenden unaufhörlich: Lehrstuhlinhaber aus der Theologie, Priester aus der Gemeindeseelsorge, Ordensleute, kirchliche Prominenz und Zehntausende einfache Katholikinnen und Katholiken, die um ihre Kirche besorgt sind, bekennen öffentlich Farbe.
Während ein Großteil der Medien die Annäherung des Vatikans an die Traditionalisten vom Rechtsaußenrand (Papst rehabilitiert Holocaustleugner) zunächst nur als Stoff für einen Tagesskandal betrachtete, waren die Initiatoren der Petition längst von Sorge über viel weiterreichende Folgen getrieben. Sie befürchten, dass die Früchte des großen Reformkonzils, das Papst Johannes XXIII. ohne Rückhalt im Kurienapparat vor 50 Jahren ausgerufen hat, bedroht sind.
Der Petitionstext ist klar formuliert, aber er enthält keinerlei Schmähungen und erst recht nichts, was dem römisch-katholischen Bekenntnis zuwiderläuft. Die erdrückenden Indizien für die in der Petition ausgedrückte Sorge und die Entwicklung der darauf reagierenden Kirchenbewegung kann man mit Hilfe von zwei Linkseiten erkunden. Ohne große Mühe lassen sich jüngste Voten aus dem Kreis der Deutschen Bischofskonferenz zusammenstellen, die das Anliegen der Petition – nur in einer etwas diplomatischeren Form – stützen. Anzeige
"Stichtag Rosenmontag": Ein Bischof sieht rot
UPDATE: Die Zeiten hierarchischer Willkür scheinen sich im Zeichen der Kirchenbewegung von unten immer schneller dem Ende zuzubewegen. Nach aktuellen Pressemeldungen hat der Regensburger Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller von seinem Verhalten gegenüber den drei Regensburger Lehrstuhlinhabenden Abstand genommen. Die drei müssen jetzt nicht mehr "Widerruf" und "Abbitte" leisten.
Allerdings ist besonders romzentrierten Episkopen schon dieser einfache Akt der freien Meinungsäußerung zu viel. Der Regensburger Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller z.B. sieht förmlich rot. Drei Professoren der Theologischen Fakultät an seinem Bischofssitz haben – wie sehr viele andere angesehene Kolleginnen und Kollegen der Zunft – die Erklärung nämlich auch unterschrieben: der Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler, der Religionspädagoge Burkard Porzelt und die Kirchenrechtlerin Sabine Demel. Bischof Müller unterstellt ihnen, mit ihrer Unterschrift den Papst beleidigt zu haben. Sie sollen sich dafür beim Kirchenoberhaupt, dem exklusiven "Stellvertreter Christi", entschuldigen. Außerdem wird von ihnen ein Treueid auf die reine Kirchenlehre verlangt (dieses Maßregelungsinstrument aus der finstersten Zeit des Antimodernismus hat Rom schon länger reanimiert, um die nachkonziliare Freiheitsbewegung förmlich mundtot zu machen).
Der entsprechende Brief soll nach Pressemeldungen gleich an drei hohe Vatikanvertreter mitverschickt worden sein. Falls die drei Petitionsunterzeichnenden den Bischofsforderungen nicht nachkommen, sind "weitere Schritte" angekündigt. Schlimmstenfalls würde aus dieser verhüllten Drohung ein Entzug der Lehrerlaubnis folgen können. Die Frist zum eingeforderten Gehorsam läuft am Rosenmontag (1) ab.
Damit verschärft der Regensburger Bischof die Debatte über die Freiheit der Lehre an theologischen Fakultäten, deren Betrieb vom Staat ermöglicht wird und über deren Existenzberechtigung schon seit langem kein gesellschaftlicher Konsens mehr besteht. Darüber hinaus zeigt ja gerade sein unglaubliches Vorgehen der Öffentlichkeit, wie berechtigt die im Petitionstext ausgedrückte Sorge um die Geltung des II. Vatikanischen Konzils ist.
Bernd Hans Göhrig, Bundesgeschäftsführer der "Inititiative Kirche von unten", kommentiert:
Nachdem die katholischen Fundis von der Zivilgesellschaft in die Schranken verwiesen wurden, spielt Bischof Müller jetzt die Machtkarte aus. Er überprüft die Gesinnung seiner Angestellten – dafür ist eine Petition natürlich hilfreich. Freie Meinungsäußerung gibt es in der Kirche nun mal nicht. IKvu-Pressemitteilung, 19.2.2009
Bischöfliche Amokläufer können die kirchliche Demokratiebewegung kaum aufhalten
Doch was passiert, wenn die Rosenmontagsfrist abläuft, die drei Theologen standhaft bleiben und andere Bischofskollegen den Regensburger Kirchenfürsten nicht rechtzeitig zur Besinnung bringen? Man muss kein Prophet sehen, um zu sehen, dass in diesem Fall die römische "Hierarchie" (übersetzt: heilige Herrschaft) in ärgste Bedrängnis geraten würde. Denn die drei Lehrenden haben ja nur geäußert, was eine überwältigende bürgerliche Mehrheit – etwa auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken – auch denkt.
Am Anfang der Petition stand ein emeritierter und also weniger verwundbarer Theologe, der Heidelberger Professor Norbert Scholl. Inzwischen aber braucht man Stunden, um die Zahl der unterzeichnenden katholischen Theologen zu lesen. Ein Lehrstuhlinhaber wie der röm.-kath. Neutestamentler Prof. Dr. Joachim Kügler bewirbt die Petition z.B. direkt auf der Startseite seiner Homepage.
Wenn Bischof Müller nicht einlenkt und sich damit auch noch durchsetzen kann, würde dies also unweigerlich eine Repressionswelle auslösen, die in der neueren Kirchengeschichte ihresgleichen sucht. Dann aber hätte dieser "Hierarch" – vom traurigen Berufsschicksal der Gemaßregelten einmal abgesehen – der röm.-kath. Kirchenbewegung von unten einen großen Dienst erwiesen. Je unverhüllter sich nämlich die feudalistische bzw. absolutistische Machtausübung von papstzentrierten Kirchenleitungen zeigt, desto stärker wird der gesellschaftliche Druck und desto schneller wächst die innerkirchliche Gegenbewegung. Der Kölner Theologe, Priester und Therapeut Jupp Prinz bezeichnet Vorgänge dieser Art als "paradoxe Intervention des Heiligen Geistes".
Dass solche Prognosen nicht aus der Luft gegriffen sind, war unlängst in Österreich zu lernen: Der Papst ernennt einen fundamentalistischen Kleriker zum neuen Weihbischof. Kirchenvolk und Priesterschaft wehren sich. Am Ende muss der Bischofskandidat, um den Papst nicht in Bedrängnis zu bringen, von sich aus Abstand von einer Annahme des Amtes nehmen. Die Katholische Presseagentur Österreich berichtet dazu:
Der Wiener Hochschulseelsorger Msgr. Helmut Schüller wertet die jüngsten Vorgänge rund um den designierten, aber wieder zurückgetretenen Linzer Weihbischof Gerhard Wagner als Ausdruck eines allmählich voranschreitenden "Demokratisierungsprozesses" in der katholischen Kirche. Die Laien in der Kirche seien nicht zuletzt durch die Mediengesellschaft "Bürger der Moderne" geworden, die Transparenz wollten … Die lauter gewordene "offene Rede an der Basis" sei auch eine Veränderung gegenüber 1987, als Kurt Krenn zum Wiener Weihbischof ernannt wurde. Auch im säkularen Staat sei die Demokratie erst allmählich gewachsen. Heute seien … innerhalb der Kirche völlig neue Formen der Kommunikation aufgebaut worden, sagte Schüller: "Wir kommunizieren schneller, sind besser vernetzt."
Die Skandalwelle ist absehbar
Absehbar ist, dass das herrische Vorgehen des Regensburger Bischofs das Interesse der Öffentlichkeit wach hält und am Ende dafür sorgen wird, dass noch viele skandalöse Sachverhalte aus dem internen Forum der Kirchenkundigen hinauswandern und ins allgemeine Bewusstsein rücken. Dass die vom Papst ohne Vorbedingungen wieder aufgenommenen Traditionalistenbischöfe ob ihrer freiheitsfeindlichen und hetzerischen Ideologie hierzulande ein Fall für den Verfassungsschutz wären, haben z.B. nicht Linkskatholiken, sondern eher Stimmen aus dem bürgerlichen Lager vorgetragen. Im angeblich ahnungslos verwirrten Vatikan beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten eine eigene Abteilung mit den Schismatikern! Der letzte Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, gehört in dieser Sache zu den ausgewiesenen Experten.
Derweil vertieft sich der Holocaustleugner Bischof Williamson noch immer in das Studium des Streitgegenstandes. Er will dabei seine Thesen über den Massenmord an sechs Millionen Juden überprüfen, die er immerhin schon seit zwei Jahrzehnten – natürlich ohne Studium – vorträgt (der Papst lässt Distanzierung verlauten und handelt immer noch nicht). Dieser perfide Vorgang wird dafür sorgen, dass jenseits vom geschönten Bild antijüdische Strömungen in der katholischen Kirchengeschichte – bis hin zum heutigen Tage – näher unter die Lupe kommen.
Wer immer noch nicht informiert sein möchte, kann weiterhin behaupten, im Gegensatz zu Williamson sei die traditionalistische Bewegung als Ganzes "den Juden" gegenüber gar nicht feindselig gesonnen, oder den aktuell kursierenden Abbitten des für Deutschland zuständigen Paters Franz Schmidberger Glauben schenken (Weißwaschung für die Pius-Brüder?). Das Konzilsdokument über die Juden bleibt der Lackmustest – sowohl für die Treue zum Reformkonzil als auch für ein katholisches Christentum, das auf den Abgrund des 20. Jahrhunderts geantwortet hat.
Das wegen seiner Querverbindungen zur französischen Rechten berüchtigte Benediktinerkloster Sainte Madelaine bei Avignon hat Joseph Ratzinger 1995 besucht. Sein Vorwort zierte schon 1990 ein von den dortigen Mönchen gedrucktes Messbuch der veralteten Art, welches das Gebet für (gegen) die "perfiden Juden" in seiner ursprünglichen Widerlichkeit ("pro perfidis Judaeis") enthält. Jüngst hat Thomas Seiterich daran erinnert , dass der Priester und Reichstagsabgeordnete Georg Ratzinger (gestorben 1899), ein Großonkel und Vorbild des Papstes, dem katholischen Antijudaismus des 19. Jahrhunderts verhaftet war.
Niemand, so sagt auch Seiterich, kann Joseph Ratzinger mit irgendeinem Recht unterstellen, er sei rassistisch-antisemitisch . Gewiss aber, und das ist traurig genug, werden Untersuchungen leicht zeigen können, dass seine Theologie für einen Dialog mit dem Judentum im Sinne des II. Vatikanischen Konzils denkbar ungünstige Vorraussetzungen in sich birgt. Und auch daran kann man nicht deuteln: Die von ihm wieder eingeführte Tridentinische Liturgie nebst einer neu gefassten christologischen Erleuchtungsbitte Richtung Judentum am Karfreitag konnte von den Traditionalisten als überaus freundliches Signal gewertet werden. Nach solchen Wegbereitungen kam dann ihr Gebetskreuzzug mit 1.703.000 "Rosenkränzen" ins Spiel.
Liebe soll es nun gewesen sein, so meinte dieser Tage in Düsseldorf ein sanfter Be-Prediger, die den Papst zur Erhörung dieser Gebete von Traditionalisten bewegt hat. Was aber war dann Ratzingers Axtschlag auf die (mit manchen Mühen) gewachsene ökumenische Freundschaft mit der evangelischen Christenheit? "Deus est Caritas!" ("Gott ist die Liebe!") – dieser Überschrift der ersten Enzyklika Benedikts muss wohl jeder gläubige Christ zustimmen. Aber im Vatikan wird Kirchenpolitik gemacht. Man weiß dort sehr genau, wen man liebt und wem man nahe stehen will (nicht nur während des Papstwahlkampfes!).
Dank der modernen Kommunikationsmittel und des schnellen Informationsaustausches ist heute offenbar, dass es ein päpstliches Papsttum eigentlich nicht mehr gibt. Wer so tut, als lebe er noch 1870, wird die Medienschelte des Jahres 2009 unweigerlich auf sich ziehen. Und in der ausgesprochenen Klerikerkirche gibt es noch viele sensible Themen von ausgesuchtem Interesse, etwa das alte Thema der Zwangs-Ehelosigkeit oder das geheimnisvolle, erst vom derzeitigen Papst erwirkte kirchliche Berufsverbot für Menschen mit "homosexueller Orientierung". Sehr leicht könnten die Verbreiter von Angst selbst in Angst versetzt werden.
Gleichklang: Ratzingers und Williamsons Einschätzung des Reformkonzils
Die in der Petition Vaticanum 2 von Katholiken mit und ohne Theologiestudium (bzw. Weihe) zum Ausdruck gebrachte Sorge lässt sich auch durch ein in der Öffentlichkeit wenig bekanntes Detail erhärten. Thomas Wystrach von der Leserinitiative Publik e.V. hat vor einer Woche per Rundschreiben darauf aufmerksam gemacht, dass der Papst und der Holocaustleugner Bischof Williamson – z.T. bis in den Wortlaut hinein gleich lautend – das katholische Reformkonzil 1962-1965 als eine Sache von "niedrigem Rang" abtun.
Am 13. Juli 1988 meinte Joseph Kardinal Ratzinger vor den Bischöfen Chiles in einer Rede:
Das Zweite Vatikanische Konzil gegen Mgr. Lefebvre als Wertvolles und Verbindendes der Kirche zu verteidigen ist und bleibt eine Notwendigkeit. Aber es gibt eine einengende Haltung, die das Zweite Vatikanum isoliert und die Opposition hervorgerufen hat. … Die Wahrheit ist, dass das Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewusst in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma, das allen anderen die Bedeutung nimmt.
In einem Spiegel-Interview vom 9. Februar 2009 kann man zum selben Thema als Meinung von Bischof Williamson nachlesen:
Diese Konzilstexte sind immer wieder zweideutig. Weil keiner wusste, was das eigentlich bedeuten soll, begann kurz nach dem Konzil jeder zu tun, was er wollte. Das führt zu diesem theologischen Chaos, das wir heute haben. Was sollen wir nun anerkennen, die Zweideutigkeit oder das Chaos? … Nur die Verletzung der Dogmen, also der unfehlbaren Lehrsätze, zerstört den Glauben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat selbst erklärt, keine neuen Dogmen zu verkünden. Heute tun die liberalen Bischöfe so, als sei es eine Art allumfassendes Superdogma, und begründen damit eine Diktatur des Relativismus. Das widerspricht den Texten des Konzils.
Verschwiegen wird in beiden Voten, dass es im Konzil ein verbreitetes Unbehagen am "Unfehlbarkeits-Erbe" der Vorgängerversammlung von 1870 gab. In der Gegenüberstellung erkennt man erneut, wie Joseph Ratzinger den Traditionalisten schon seit langem die Bälle zuspielt. Gegen seine Niedrig-Qualifizierung des Reformkonzils haben sich nicht nur Petitionsunterzeichnende zu Wort gemeldet, sondern auch ein prominenter deutscher Katholik: der Karl-Rahner-Schüler und Kardinal Karl Lehmann.(2)
In der Deutschen Bischofskonferenz weiß man ganz genau: Die Traditionalisten werden Geist und auch Buchstaben des II Vatikanischen Konzils niemals anerkennen, denn ihre Feindseligkeit gegenüber dem von Johannes XXIII. eingeleiteten Reformwerk ist ja gerade die Wurzel ihrer Abspaltung von der Weltkirche.
Die Stunde der Kirchenrechtler
Es nützt kein Drumherumreden. Die Deutungshoheit über das Konzil hat in der Kirche nur, wer die Macht ausübt, und das ist – genau besehen – einzig und allein der Papst. Das war seit längerem zur Kenntnis zu nehmen. Schon am 3. Oktober 1998 hatte die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche als Gast ihrer Bundesversammlung den Kirchenrechtler Prof. Dr. Dr. Werner Böckenförde, der als gediegener Prälat gar nicht so recht in die sonst bevorzugte "fortschrittliche" Referentenriege passte.
Detailliert wies der Limburger Domkapitular in seinem Vortrag nach, wie Rom nach dem Reformkonzil über Paragraphen und Dekrete die exklusive, seit 1870 proklamierte "universale Befehlsgewalt des Papst" (Universaljurisdiktion) gegen alle anders ausgerichteten Strömungen des freiheitlichen Geistes neu fixiert hat. Gegen diese Festung, so möchte man nach der Lektüre ausrufen, kämpfen Götter selbst vergebens.
Im Kern liegt den geschaffenen Rechtsfakten überall eine Herabstufung des II. Vatikanischen Konzils zugrunde. Die so genannten "Laiengremien" haben schon mal gar nichts zu sagen. Wo sie zusammentreten, müssen sie sich immer neue Namen ausdenken, um nicht sofort der im Kirchenrecht verankerten Bevormundung anheim zu fallen. Die geweihten Häupter versehen keineswegs nur den liturgischen Dienst für alle. Sie sind vielmehr – bis hin zur Ortsgemeinde – die Herrscher über das Kirchenvolk. Dieses Kirchenvolk nennen sie mit Vorliebe "Schwestern und Brüder". Wo aber sonst dulden Geschwister unter sich die absolute Herrschaft einzelner?
Letztlich sind selbst die Bischöfe nur Befehlsempfänger des Papstes. Ihr Name (griechisch: Episkopos) trägt in sich das "Sehen". Deshalb wünschte das Reformkonzil auch, dass sie wahrnehmen, was die Menschen bewegt und welche Schönheit die Menschen in sich tragen. Böckenförde zeigt nun, dass die Episkopoi nach vatikanischer Konzilsinterpretation am Ende nur als Auf-Seher unter der Weisung des höchsten und unfehlbaren Bischofs in Rom fungieren sollen. Schweigen sie in gewichtigen Fragen, so wird das sogleich als heiliger Konsens des Bischofskollegiums gedeutet.
Während schließlich die Beschlüsse des letzten Konzils immer niedriger gehängt werden, hat die päpstliche Regierungsriege andererseits dafür gesorgt, dass die Meinungsäußerungen des Papstes zum Frauenpriestertum, zur Ehelosigkeit der Priester oder zu so genannten Sittenfragen immer öfter mit dem – sonst für feierliche dogmatische Definitionen reservierten – Unfehlbarkeits-Etikett versehen werden (maßgeblich beteiligt an dieser Strategie: Präfekt Joseph Ratzinger).
Auch was die Freiheit der Theologie anbelangt, hat dies alles erhebliche Konsequenzen. Noch sind nicht alle Bischöfe so papsthörig wie Dr. Gerhard Ludwig Müller in Regensburg. Doch es ist angesichts des gegenwärtigen Kurses absehbar, dass der Papst aus Deutschland sich in – seiner Ansicht nach zu liberale – Theologenberufungen einmischen wird. Dann mag der Ortsbischof die Lehrerlaubnis ("Nihil obstat") erteilen, der Vatikan kann sie widerrufen. Wer die Zielscheibe solcher Interventionen sein wird, ist im Licht der Regensburger Repressionen klar: Theologen, die (dem Vorbild großer Heiliger folgend) freimütig Kritik am Papstes üben. Hier wartet viel Arbeit auf die Kurie.
Was eine neue Disziplin, die Rechtspädagogik, schon Kindern beibringen möchte, nämlich ein gefühltes und lebendiges Bewusstsein für die Bedeutung des Rechts bezogen auf die eigene Würde und das Miteinander, dürfen Kirchenjuristen nicht einmal denken. Man fragt sich, wie eine solche Kirche der Rechtlosigkeit sich hilfreich zu den Menschenrechten, zu gesellschaftlichen Vorgängen oder besonders zur Einhaltung des internationalen Völkerrechtes einbringen könnte. Es kann noch schlimmer kommen, wenn nämlich die Traditionalisten ihre stetig zu hörende Ankündigung wahr machen, den Vatikan endgültig wieder ins 19. Jahrhundert zurückzuversetzen. Da immer häufiger Sektenmodelle gegen den schwindenden "Milieukatholizismus" ausgespielt werden, muss man mit allem rechnen.
In dieser Situation braucht die kirchliche Demokratiebewegung wirklich Frauen und Männer aus der röm.-kath. Kirchenrechtswissenschaft mit Sinn für Strukturfragen. Deren Hauptaufgabe dürfte darin bestehen, dem Kirchenvolk seine Rechtlosigkeit zu erläutern und die fast lückenlose Absicherung absolutistischer Machtausübung durch die "Hierarchie" ohne Illusionen dazulegen. Erst dann zeigt sich ja, dass bloße "Reformen" nichts bringen können.
Nichts weniger als eine Revolution ist also gefragt. Papst Johannes XXIII. hat, als er bereits von einer tödlichen Krankheit heimgesucht war, mit Fröhlichkeit und Weitherzigkeit die Fenster des Vatikans von innen her aufgerissen, um Luft zum Atmen hereinzulassen. Heute, nach einem halben Jahrhundert, muss das – vom Konzil so genannte – "Volk Gottes" diese Fenster von außen aufbrechen. Angesichts der seit einem Vierteljahrhundert betriebenen Personalpolitik des Vatikans gibt es dazu keine Alternative (es sei denn, ein anderes Wunder geschieht).
Die fromme Revolution: "Wir sind Johannes XXIII."
Dass es derzeit in der kirchlichen Demokratiebewegung keine herausragende charismatische Gestalt gibt, mag man bedauern. Denn aus einer innerkatholischen Perspektive, wie sie der Verfasser dieses Beitrags einnimmt, wird immer klar sein: "Ohne Frömmigkeit keine Revolution in der Kirche!" Ewige Kirchengeschädigte, die sich endlich rächen wollen, und kirchenpolitische Eiferer, die nach Macht suchen, würden die Revolte nur verderben. Sie bleiben nämlich notwendig ein Spiegel dessen, was endlich vom Thron stürzen muss.
Das Fehlen einer großen "Gorbatschow"- oder "Obama"-Gestalt kann nun gerade die größte Chance sein. Mehr Überzeugungs- und Gütekraft als die des Bauernsohnes Angelo Giuseppe Roncalli (1881-1963), des späteren Papst Johannes XXIII., wird heute ohnehin kaum zu finden sein. Ich trage stets ein kleines Blechmedaillon mit dem Bild dieses kleinen Mannes um den Hals. Ein befreundeter jüdischer Goldschmied hat es mir vor sechs oder sieben Jahren geschenkt. Da ich ganz abergläubisch den Verlust fürchte, hat mir ein Benediktiner von einer Rompilgerreise auch "Ersatz für alle Fälle" mitgebracht: gesegnet am Grab von "il Papa buono".
Die Weisung der Kirchenrevolte steht in meinen Augen längst fest: "Wir sind Johannes XXIII." Seine Güte und seinen Humor haben wir Reformkatholiken leider nur selten, aber die Unerschrockenheit hat er uns gelehrt. Die Devotionalienhändler sollten sich rechtzeitig neu sortieren. Denn: Katholiken sind seltsame Menschen. Sie bleiben in ihrer Frömmigkeit auf unheilbare Weise Materialisten. Das sah schon Georg Wilhelm Friedrich Hegel sehr richtig.
München – Im Konflikt um drei katholische Theologie-Professoren, die eine papstkritische Erklärung unterschrieben haben, hat der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nachgegeben: Die Professoren Sabine Demel, Burkhard Porzelt und Heinz-Günter Schöttler müssen nicht mehr vor dem Bischof das Glaubensbekenntnis und einen Treueeid ablegen. Sie müssen sich auch nicht von der Erklärung distanzieren, die gegen die Aufhebung der Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen der Pius-Bruderschaft protestiert und die Sorge ausdrückt, Papst Benedikt XVI. könne Gruppen in der Kirche einen Platz geben, die das Zweite Vatikanische Konzil ablehnen. Aus der Sicht Müllers hatten die Professoren dem Papst unterstellt, dass er der Kirche schaden wolle. Am Freitag hatten sich Bischof Müller und die Leitung der katholisch-theologischen Fakultät zum Krisengespräch getroffen. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es nun, die Professoren lehnten „eine Interpretation der Petition ab, wonach dem Papst eine mangelnde persönliche und lehramtliche Integrität unterstellt wird”; zudem betonten sie „ihre selbstverständliche Loyalität zum kirchlichen Lehramt”. Die drei Professoren erklärten, sie hätten Bischof Müller in einem Brief mitgeteilt, dass sie „von unserer theologischen Überzeugung wie auch von unserer Loyalität zum kirchlichen Lehramt her” nach wie vor „uneingeschränkt zum Inhalt dieser Petition” stünden. Man sei „bereit, dem Bischof von Regensburg im Gespräch unsere Sorge für die Kirche zu verdeutlichen”. mad
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20.2.2009 - kipa/apic
Theologen wollen sich beim Papst nicht entschuldigen
Regensburg, 20.2.09 (Kipa) Die drei Regensburger katholischen Theologen wollen der Forderung von Ortsbischof Gerhard Ludwig Müller nicht nachkommen, sich beim Papst zu entschuldigen. Die Kirchenrechtlerin Sabine Demel sagte am Freitag, 20. Februar, auf Anfrage, sie und ihre beiden Kollegen sähen dazu keinen Anlass. Sie hätten den Papst nicht beleidigt, weshalb sie sich auch nicht entschuldigen müssten.
Auch für die Wiederholung von Treueeid und Glaubensbekenntnis bestehe kein Grund, weil sie von beidem nicht abgewichen seien. Demel und die beiden Professoren Burkhard Porzelt und Heinz-Günther Schöttler hatten eine inzwischen von mehr als 20.000 Personen unterzeichnete Petition unterstützt, in der die Aufhebung der Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen kritisiert wird.
Es werde zugelassen, dass Teile der Kirche offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnen dürften, heisst es darin. Zum Inhalt der Petition stünden sie "nach wie vor uneingeschränkt", heisst es in einer Presseerklärung der drei Professoren. Sie seien weiterhin bereit, dem Bischof im Gespräch ihre Sorge für die Kirche zu verdeutlichen.
"Weitere Schritte"
Müller hatte den Theologen vorgeworfen, sie unterstellten dem Papst ein Handeln zum Schaden der Kirche. Ultimativ forderte er sie zur persönlichen Entschuldigung bei Benedikt XVI. auf. Die Professoren sollten vor dem Bischof persönlich erneut einen Treueeid ablegen und das Glaubensbekenntnis sprechen. Andernfalls kündigte Müller "weitere Schritte" an.
Unterdessen sprach Müller am Freitag mit der Fakultätsleitung in Regensburg. Nach der Unterredung gaben die Beteiligten eine gleichlautende Erklärung ab. Ob der Konflikt damit beigelegt ist, ist unklar. Die Bistumsleitung machte auf Nachfrage keine weiteren Angaben.
In der Erklärung wird das Recht des Ortsbischofs festgehalten, für die Kirchlichkeit der Theologie Sorge zu tragen. Es bestehe Einigkeit darin, dass alle theologisch Lehrenden besondere Verantwortung für die wissenschaftliche Sorgfalt und das Wohl der Kirche hätten.
Zur umstrittenen vatikankritischen Petition heisst es: Alle Professoren lehnten eine Interpretation der Petition ab, wonach dem Papst eine mangelnde persönliche und lehramtliche Integrität unterstellt werde. Es sei selbstverständlich, dass alle Lehrenden an einer katholisch-theologischen Fakultät die Lehre der Kirche einschränkungslos anerkennten. Die Loyalität zum kirchlichen Lehramt sei selbstverständlich.
(kipa/b/gs)
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20.2.2009 - domradio.de
Wogen geglättet?
Wegen Streit mit Theologen spricht Bischof Müller mit Fakultätsleitung - Professoren signalisieren Gesprächsbereitschaft
Wegen des Streits mit drei Regensburger Theologieprofessoren hat Ortsbischof Gerhard Ludwig Müller am Freitag mit der Fakultätsleitung ein Gespräch geführt. Nach der Unterredung gaben die Beteiligten eine gleichlautende Erklärung ab, weitere Kommentare waren nicht zu erhalten. Ob der Konflikt damit beigelegt ist, ist unklar. Die Betroffenen signalisierten am Freitag Gesprächsbereitschaft.
In der Erklärung von Fakultät und Bischof wird das Recht des Ortsbischofs festgehalten, für die Kirchlichkeit der Theologie Sorge zu tragen. Es bestehe Einigkeit darin, dass alle theologisch Lehrenden besondere Verantwortung für die wissenschaftliche Sorgfalt und das Wohl der Kirche hätten.
Zu der umstrittenen vatikankritischen Petition, die die drei Professoren unterzeichnet hatten, heißt es: Alle Professoren lehnten eine Interpretation der Petition ab, wonach dem Papst eine mangelnde persönliche und lehramtliche Integrität unterstellt werde. Es sei selbstverständlich, dass alle Lehrenden an einer katholisch-theologischen Fakultät die Lehre der Kirche einschränkungslos anerkennten. Die Loyalität zum kirchlichen Lehramt sei selbstverständlich.
Die drei Professoren Sabine Demel, Burkhard Porzelt und Heinz-Günther Schöttler gingen am Freitag ebenfalls an die Öffentlichkeit. Sie betonen in einer Erklärung, dass sie „von unserer theologischen Überzeugung wie auch von unserer - in der heutigen Pressemitteilung von Bischof Müller und der Fakultätsleitung unterstrichenen - Loyalität zum kirchlichen Lehramt her stehen wir nach wie vor uneingeschränkt zum Inhalt dieser Petition.“ Sie seien allerdings weiterhin bereit, „dem Bischof von Regensburg im Gespräch unsere Sorge für die Kirche zu verdeutlichen.“ Ob sie den Forderungen des Bischofs (Entschuldigung beim Papst, Treueid und Glaubensbekenntnis) bis zum Ablauf der gestellten Frist am Rosenmontag nachkommen werden, geht aus der Erklärung nicht hervor.
Petition mittlweile von über 20.000 unterstützt Die Professoren hatten eine inzwischen von mehr als 20.000 Personen unterzeichnete Petition unterstützt, in der die Aufhebung der Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen kritisiert wird. Es drohe eine „Rückkehr von Teilen der römisch-katholischen Kirche in eine antimodernistische Exklave“, heißt es darin. Es werde zugelassen, dass Teile der Kirche offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnen dürften.
Der Bischof warf daraufhin den Theologen vor, sie unterstellten dem Papst ein Handeln zum Schaden der Kirche. Ultimativ forderte er sie zur Distanzierung und persönlichen Entschuldigung bei Benedikt XVI. auf. Bis Rosenmontag sollten die Professoren vor dem Bischof persönlich erneut einen Treueeid ablegen und das Glaubensbekenntnis sprechen. Andernfalls kündigte Müller „weitere Schritte“ an. Ob diese Forderungen noch im Raum stehen, ist offen.
Der katholisch-theologische Fakultätentag hatte den Bischof am Mittwoch zur Deeskalation des Konflikts aufgefordert. Die „Initiative Kirche von unten“ hielt Müller mangelnde Sensibilität vor. Statt souverän Leitungskompetenz zu zeigen, polarisiere er in einer heiklen Frage. Unterstützung erhielt der Bischof für sein Vorgehen dagegen vom „Forum Deutscher Katholiken“. Müller habe nur seine Pflicht getan. Die Angriffe gegen ihn seien „unsachlich und polemisch“.
(kna,dr)
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19.2.2009 - Südwest-Presse
„Der Papst hat einen schweren Amtsfehler begangen“
Tübinger Theologe wirft Benedikt XVI. vor, im Fall der Pius-Bruderschaft gegen das Kirchenrecht verstoßen zu haben
Die Pius-Bruderschaft hat wesentliche Voraussetzungen einer Rehabilitierung nicht erfüllt. Das sagt der renommierte Tübinger Theologe Peter Hünermann. Er wirft dem Papst einen schweren Amtsfehler vor.
ELISABETH ZOLL
Herr Professor Hünermann, der Regensburger Bischof Müller will drei Professoren bestrafen, die einen Aufruf unterstützen, der auf der uneingeschränkten Gültigkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils besteht. Verstehen Sie die Reaktion des Bischofs? PETER HÜNERMANN: Nein. Nach meiner Auffassung kommen Sanktionen nur in Frage für sehr gravierende Fehler, Verleumdungen. In dem Aufruf steht nichts, was durch das Kirchenrecht verboten wäre. Die Petition bekräftigt nur, dass das Zweite Vatikanische Konzil keine Verhandlungssache ist. Auch nicht in Bezug auf die Pius-Bruderschaft.
Deren Rehabilitation spaltet die Kirche. Werden die Ultrakonservativen auf den Kurs Roms einschwenken? HÜNERMANN: Das kann ich nicht erkennen. Ein Entgegenkommen der Bruderschaft entnehme ich weder dem Brief, den Traditionalistenbischof Bernhard Fellay an den Papst geschrieben hat. Noch entnehme ich das seinen Äußerungen nach Aufhebung der Exkommunikation. Noch geht das aus den web-Seiten der Bruderschaft hervor.
Und dennoch hat Papst Benedikt der Bruderschaft die Hand gereicht. HÜNERMANN: Ich will nicht bestreiten, dass Benedikt die Exkommunikation in gutem Glauben aufgehoben hat. Aber es wird im Kirchenrecht gesagt, dass solche Aufhebungen nur möglich sind, wenn die Betreffenden ihre Schuld eingestehen und reumütig zurückkehren. Bei Monsignore Fellay ist das nicht der Fall. Er fordert die Aufhebung einer Ungerechtigkeit. Das ist etwas ganz anderes.
Von Reue und Wiedergutmachung ist also keine Rede? HÜNERMANN: Nein. Damit fehlen wesentliche Voraussetzungen für die Aufhebung einer Beugestrafe. Nach dem Canon 126, des Kirchenrechts liegt damit eine Handlung vor, die in sich nichtig ist.
Papst Benedikt hat den Traditionalisten vor ihrer Rehabilitierung keine Bedingungen gestellt. HÜNERMANN: Er hätte im Vorfeld fordern müssen, dass die Pius-Bruderschaft zuerst ein Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil ablegt und denWeg ins Schisma bereut, den sie mit ihren häretischen Positionen eingeschlagen hat. Hier liegt ein Amtsfehler vor.
Ein schwerer Amtsfehler? HÜNERMANN: Ein schwerer Amtsfehler. Der Papst verstieß in der Rücknahme der Exkommunikation in gravierender Weise gegen Glauben und Sitten. Zudem hat der Amtsfehler zu einer erheblichen Verunsicherung in der Kirche geführt und im Urteil zahlreicher Theologen den Papst in seinem Amt und in seiner Glaubwürdigkeit schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Und trotzdem stehen in Regensburg jetzt Theologen am Kirchenpranger nicht der Papst. Soll dort die Feuerwehr abgestraft werden, während der Brandstifter unbehelligt bleibt? HÜNERMANN: Ich habe den Eindruck, dass der eine oder andere Bischof der Weltkirche im vergangenen Jahrhundert lebt, als es noch das Delikt der Majestätsbeleidigung gab. Das mutet merkwürdig an.
„Merkwürdig“ erscheint auch, dass Bischof Müller von den Theologen nun ein Glaubensbekenntnis und einen Treueeid verlangt. HÜNERMANN: Ich gehe davon aus, dass die Theologen jeden Sonntag das Glaubensbekenntnis mitsprechen. Ich weiß nicht, was sie nun veranlassen sollte, einen speziellen Treueeid abzulegen. Da sollte man die Kirche im Dorf lassen.
Haben Sie Sorge, dass auch andere Ortsbischöfe versuchen werden, engagierte, kritische Christen mundtot zu machen? HÜNERMANN:Unsere Gesellschaft hat die Erfahrung gemacht, dass Meinungsfreiheit und kritische Stellungnahmen nötig sind. Nur so kann ein Grundkonsens in ganz gravierenden Fragen erreicht werden. Wenn die Kirche davon spricht, dass alle wir alle Zeugen des Glaubens sind, dann hat jeder das Recht die Pflicht zu sagen, was er denkt. Nur so erfolgen die notwendigen Korrekturen.
Sie sagten, der Papst hat der Kirche schweren Schaden zugefügt. Können sie jetzt weitermachen als wäre nichts gewesen? HÜNERMANN: In dieser schweren Krise muss die Kirche gut zusammenstehen und am Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils weiterbauen. Da hat jeder an seinem Platz Möglichkeiten.Man kann beispielsweise am Ende von Gottesdiensten Christenlehre halten, um Kernpunkte des Konzils zu diskutieren.
Professor Peter Hünermann, war Ordinarius für Dogmatik an der Universität Tübingen.
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18.2.2009 - Bayerischer Rundfunk
Streit um Piusbrüder: Bischof Müllers Ultimatum - ein Alleingang
Streit im Bistum Regensburg: Bischof Gerhard Ludwig Müller hat drei Theologen mit Sanktionen gedroht. Sie hatten eine Petition unterschrieben, die das Vorgehen des Papstes in Sachen Piusbrüder kritisiert. Die vom Bischof zum Rapport zitierten Theologen reagierten "mit Befremden". In den anderen bayerischen Diözesen findet Müller keine Unterstützer.
Auslöser für den Streit ist eine vom Heidelberger Theologen Norbert Scholl verfasste Petition, in der die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft als "Rückwärtswendung" kritisiert wird. Zu den Unterzeichnern der Petition gehören auch der Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler, der Religionspädagoge Burkard Porzelt und die Kirchenrechtlerin Sabine Demel. Die Petition wendet sich gegen die Aufnahme von Katholiken, die "offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des II. Vatikanischen Konzils ablehnen dürfen".
Müllers Ultimatum - ein Alleingang
Regensburgs Bischof Gerhard Ludwig Müller findet nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks keine Nachahmer unter den anderen Bischöfen des Freistaats. Nachfragen bei den Bischöflichen Ordinariaten ergaben, dass keine Diözese dem Regensburger Oberhirten folgt.
So hieß es etwa bei den Erzbistümern Bamberg sowie München und Freising, man sehe keinen Anlass für ein solches Vorgehen. Auch in den Bistümern Augsburg und Eichstätt gibt es keine entsprechenden Überlegungen.
Müller fordert Glaubensbekenntnis und Treueeid
Bischof Müller forderte die drei Theologen in einem Brief auf, sich binnen zwei Wochen von der Petition zu distanzieren und persönlich bei ihm ein Glaubensbekenntnis abzulegen. Darüber hinaus verlangte er von ihnen eine Entschuldigung bei Papst Benedikt XVI. sowie einen Treueeid auf die Lehre der katholischen Kirche. Anderenfalls drohte er weitere Schritte an - gemeint sein könnte damit der Entzug der Lehrerlaubnis. Kopien des Briefes gingen unter anderem an den obersten Präfekten der Glaubenskongregation im Vatikan.
Gegenschreiben der drei Hochschullehrer
Unterzeichnerin Demel nannte den Inhalt des Schreibens "sehr befremdlich und nicht nachvollziehbar". Die drei Hochschullehrer haben ein Gegenschreiben verfasst, das so formuliert sein soll, dass keiner der drei zu Kreuze krieche und der Bischof die Möglichkeit habe, sein Gesicht zu wahren.
"Vollkommen falsches Signal"
Unterdessen bezeichnete Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" den Brief des Bischofs als "vollkommen falsches Signal". Nicht die Professoren würden das Papstamt beschädigen, sondern die Piusbrüder. Johannes Grabmeier von der "Laienverantwortung Regensburg" sagte, Müller werde von zwei Triebfedern gesteuert, "seiner Anbiederung an die Person des Papstes und vom ständigen und reflexartigen Entwickeln von Verschwörungstheorien".
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18.2.2009 - Rhein-Neckar-Zeitung
Wir beleidigen nicht den Papst, sondern verteidigen das Zweite Vaticanum"
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller fährt schwere Geschütze gegen drei Regensburger Theologieprofessoren auf, weil die eine Petition unterschrieben haben, in der sie sich "für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils" einsetzen. Sie hätten damit den Papst beleidigt, und sollten sie sich nicht entschuldigen, dann könne er sie mit dem Entzug ihrer Lehrerlaubnis an der Theologischen Fakultät in Regensburg bestrafen. Einer der Verfasser dieser heiß diskutierten und inzwischen in zwölf Sprachen übersetzten Petition ist der Heidelberger Theologe Norbert Scholl. Der 77-Jährige, der in Wilhelmsfeld lebt, lehrte von 1969 bis 1996 katholische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Herr Scholl, haben Sie mit dieser Petition den Papst beleidigt?
Ich wüsste nicht, inwiefern wir, die Verfasser und die Zehntausende, die inzwischen die Petition unterzeichnet haben, damit den Papst beleidigt haben sollen. Immerhin ruft das Zweite Vaticanum, an dem ja Joseph Ratzinger als Berater teilgenommen hat, dazu auf, "frei nach der Wahrheit zu forschen, seine Meinung zu äußern und zu verbreiten".
Welchen Zweck hat die Petition?
Es geht nicht nur um die Pius-Bruderschaft und die Holocaust-Leugnung ihres "Bischofs" Williamson. Es geht uns vor allem um die volle Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vaticanums. Wir befürchten eine Rückkehr von Teilen der römisch-katholischen Kirche in eine antimodernistische Exklave. Gerade jetzt in der Phase der Beschwichtigung ist unsere positiv gerichtete Petition besonders wichtig.
Warum reagiert der Regensburger Bischof so scharf auf die Unterzeichner der Petition?
Das weiß ich nicht. Dem Bischof sind die Verfasser der Petition schon lange ein Dorn im Auge und auch die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", die inzwischen die nationale und internationale Verbreitung übernommen hat.
Wer hat mittlerweile Ihre Petition unterzeichnet?
Aus ganz Europa gehen täglich auf der Internetseite (www.petition-vaticanum2.org) neue Unterschriften ein. Auch ich selbst bekomme jeden Tag manchmal bis zu 600 Unterschriften mit der Post zugeschickt. Die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen stammen aus allen Schichten der Kirche. Insbesondere fällt auf, dass viele Pfarrer, Ordensfrauen und so genannte "Laien" im kirchlichen Dienst die Petition unterschreiben und sich manchmal noch eigens für die Initiative bedanken.
Auch in Heidelberg gibt es Tendenzen gegen die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Was halten Sie davon, die St. Anna-Kirche in der Plöck für lateinische Gottesdienste von "Ecclesia Dei" zu öffnen?
Ich habe nichts einzuwenden gegen eine Vielfalt von Gottesdienstformen innerhalb der katholischen Kirche. Es gab übrigens schon vor dem Konzil unterschiedliche Riten. Kritisch wird es erst dann, wenn die eine Seite der anderen das Kirche-Sein abspricht und gar, wie im Fall von Bischof Müller, mit Zwangsmaßnahmen droht.
Teilen Sie die Auffassung, dass die Vertreter Ihrer papstkritischen Linie die volle Schärfe der Amtskirche zu spüren bekommen, die "Traditionalisten" aber stets auf Nachsicht hoffen können?
Der weitaus größte Teil der so genannten "Amtskirche", in unserem Fall also die deutschen und österreichischen Bischöfe, reagieren durchaus gelassen und äußern sich ja selber höchst kritisch zu den gegenwärtigen Vorgängen in Rom. Der Hardliner Bischof Müller ist da ein völliger Außenseiter. Wer unsere Petition unvoreingenommen liest, wird selbst feststellen können, dass hier Probleme genannt werden, die längst bei der überwiegenden Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken für Unmut sorgen und dringend nach einer Lösung verlangen.
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18.2.2009 - Kölner Stadt-Anzeiger
Kein Grund zur Panikmache
Drei Theologieprofessoren aus der Region Köln hatten sich per Petition gegen die päpstliche Entscheidung gewandt, die vier umstrittenen Pius-Brüder wieder aufzunehmen. Ein Regensburger Bischof fordert nun eine Entschuldigung und einen Treueid.
KÖLN - Auf die Drohungen des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller gegen drei Theolo-gieprofessoren wegen einer papstkritischen Petition hat das Erzbistum Köln zurückhaltend reagiert. Es gebe keinen Grund, „Panik zu machen“, sagte eine Sprecherin. Mit Blick auf Unterstützer der Petition aus dem Erzbistum „drängt es uns nicht zur Tat“, zumal zwei Erstunterzeichner aus Bonn und Köln bereits im Ruhestand seien.
Der katholische „Fakultätentag“, Vertretung aller theologischen Lehreinrichtungen an Universitäten und Hochschulen, forderte Müller zum Einlenken auf. „Eine Opposition zwischen dem kirchlichen Lehramt und der Theologie aufzubauen, ist unklug“, sagte der Vorsitzende des Fakultätentags, Michael Gabel. Er bedauere „die Unterstellung, die Theologen hätten „nicht aus Sorge um die Einheit der Kirche gehandelt“. Gabel empfahl Müller ein klärendes Gespräch.
Die drei Professoren Sabine Demel, Heinz-Günther Schöttler und Burkhard Porzelt hatten die Petition „für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils“ (1962 bis 1965) unterschrieben. Der Text wendet sich gegen die Wiederaufnahme von vier Bischö-fen der traditionalistischen Pius-Bruderschaft in die katholische Kirche und warnt und vor einer „Rückwärtswendung“ der Kirche. Müller wirft ihnen vor, damit das Handeln des Papstes in Misskre-dit gebracht zu haben. Er verlangt ultimativ eine Entschuldigung beim Papst und einen Treueid.
Gabel sagte zu Müllers Vorgehen, „ein solcher Umgang ist mir sonst nicht bekannt“. Die Unter-schrift unter die Petition dürfte nicht isoliert von der derzeitigen Lage beurteilt werden. Schließlich hätten zahlreiche Bischöfe, Kardinäle sowie ganze Fakultäten den Umgang des Papstes mit der Pius-Bruderschaft kritisiert. „Gemeinsam mit dem Papst bestehen wir auf der Treue zum Zweiten Vatikanischen Konzil“, betonte der Theologe.
Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehört auch der Leiter der bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk, der emeritierte Bonner Professor Josef Wohlmuth. Zur Frage, ob die zuständige Deutsche Bischofskonferenz ihn maßregeln wolle, äußerte sich deren Sprecher Matthias Kopp auf Anfrage nicht.
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17.2.2009 -EarthTimes
"Theologians clash with German bishop over criticism of pope"
Regensburg, Germany - German Catholic theologians expressed shock Tuesday at a threat of discipline by a hardline bishop, in the aftermath of the row over Rome's readmission of Holocaust-denier Richard Williamson. The initial controversy was triggered by the decision last month of Pope Benedict XVI to end an internal Catholic schism with the ultra-traditionalist group, the Society of Saint Pius X (SSPX).
The SSPX includes British-born Bishop Richard Williamson, who has denied the scale of the Holocaust.
Liberal Catholics in Germany and Austria have accused the pope, who is German, of mismanaging the subsequent political and inter- faith crisis.
In the latest twist in the row, Bishop Gerhard Ludwig Mueller of Regensburg - where the pope owns a private home - was infuriated when three theology professors at the University of Regensburg signed an online petition criticizing the pope.
In a letter made public Tuesday by his aides, Bishop Mueller demanded retractions and a personal apology by each to the pontiff.
Mueller said the petition implied that reconciling with SSPX meant the pope had permitted Catholics to challenge modern church teachings.
"This in not true," he wrote. "You have shown yourself that you are not qualified to teach Catholic theology." The letter threatened "further steps" but did not say if this meant revoking their licences to teach in the name of the church at the public university.
Sabine Demel, professor of canon law at the university, said she was appalled at the letter. Professor Burkard Porzelt, a religious- education scholar, said he was shocked "that there was no discussion beforehand."
The other professor, Heinz-Guenther Schoettler, who teaches pastoral theology, could not be contacted.
Mueller is an upholder of the authority of the pope and bishops. He is also hostile to the SSPX.
Williamson's remarks denying there were any Nazi gas chambers were made in Regensburg diocese in November. Williamson believes only 200,000 to 300,000 Jews were killed by the Nazis, rather than the 6 million accepted by historians.
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17.2.2009 - Süddeutsche Zeitung
Professoren sollen sich beim Papst entschuldigen
Regensburger Bischof Müller verlangt Treueeid von drei Theologen, die eine Petition für das Zweite Vatikanische Konzil unterzeichnet haben
Von Monika Maier-Albang
München – Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller droht drei Professoren der theologischen Fakultät in Regensburg Sanktionen an, weil sie eine Petition für das Zweite Vatikanische Konzil unterzeichnet haben. Er wirft ihnen vor, mit ihrer Zustimmung zu der „Petition Vaticanum 2” den Papst beleidigt zu haben. Damit hätten sich die Professoren als katholische Theologen „selbst disqualifiziert”. Müller fordert von den Professoren ultimativ, sich von der Erklärung zu distanzieren und bei Papst Benedikt XVI. zu entschuldigen.
Die Petition zur Rettung der Konzilsbeschlüsse hatte der emeritierte Heidelberger Theologieprofessor Norbert Scholl als Reaktion auf die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft Ende Januar verfasst. Auch die Aktion „Wir sind Kirche” trägt die Petition mit, die inzwischen bundesweit auf große Resonanz stößt. Zu ihren Unterzeichnern – angeblich mehrere Zehntausend –, die die „uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils” fordern, gehören in Regensburg der Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler, der Religionspädagoge Burkard Porzelt und die Kirchenrechtlerin Sabine Demel. Alle drei hat Müller mit einem Schreiben vom 9. Februar aufgefordert, sich innerhalb von zwei Wochen von der Petition zu distanzieren. Eine entsprechende Entschuldigung werde er an den Papst weiterleiten, lässt Müller die Professoren wissen. Als Zeichen der „Anerkennung des kirchlichen Lehramtes” sollen sie vor ihm erscheinen und das Glaubensbekenntnis sowie einen Treueeid auf die Lehre der katholischen Kirche ablegen. Andernfalls droht Müller „weitere Schritte” an, womit der Entzug der Lehrerlaubnis gemeint sein dürfte.
Der Regensburger Bischof stößt sich vor allem an jener Passage in der Petition, in der es heißt: „Die Unterzeichnenden werten es als klare Richtungsanzeige, dass Papst Benedikt XVI. diese Aufhebung (der Exkommunikation; Anm.d.Red.) in direkter zeitlicher Nähe zum symbolträchtigen 50. Jahrestag der Ankündigung der Einberufung eines Konzils durch Papst Johannes XXIII. vollzogen hat. Diese Rückwärtswendung lässt die Rückkehr von Teilen der römisch-katholischen Kirche in eine antimodernistische Exklave befürchten. Durch diese Rückwärtswendung wird es zugelassen, dass Teile der römisch-katholischen Kirche – neben vielem anderen – offen Geist und Buchstaben bedeutender Dokumente des II. Vatikanischen Konzils ablehnen dürfen.” Damit, so Müllers Auffassung, hätten die Professoren dem Papst ein Handeln zum Schaden der Kirche unterstellt.
Das Schreiben an die Professoren hat Müller in Kopie an den Präfekten der Glaubenskongregation, William Joseph Levada, den Vorsitzenden der Bildungskongregation, Zenon Grocholewski, an den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Jean-Claude Périsset, an den Dekan der Regensburger Fakultät und den Trierer Weihbischof Robert Brahm geschickt. Inzwischen kennen auch viele deutsche Bischöfe das Schreiben. Abzuwarten bleibt, wie sie sich zum Vorgehen ihres Regensburger Amtsbruders positionieren. Denn nicht nur die drei Regensburger Professoren, sondern viele kirchliche Mitarbeiter und Theologen haben die Petition unterzeichnet.
Mehrere theologische Fakultäten verfassten zudem eigene, zum Teil schärfere Erklärungen, etwa die Fakultäten in Würzburg, Freiburg oder Tübingen. Selbst an der katholischen Universität in Eichstätt rebellieren Professoren gegen die Wiederaufnahme der Bischöfe der Piusbruderschaft. Der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, wollte sich am Montag unter Verweis auf die Zuständigkeit des Ortsbischofs nicht zu dem Vorgehen Müllers gegen die Regensburger Professoren äußern.
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17.2.2009 - FOCUS
Bischof Müller. Ultimatum nach Papst-Kritik
Drei Theologen kritisierten die Aufhebung der Exkommunikation der vier Traditionalisten-Bischöfe durch den Vatikan. Jetzt droht ihnen der Entzug der Lehrerlaubnis.
Der Regensburger Bischof Ludwig Müller posiert erwartungfroh vor dem malerischen Dom der Stadt Begonnen hatte es mit einer Petition. Die Unterzeichner, drei Professoren der katholisch-theologischen Fakultät in Regensburg, hatten sich darin für die uneingeschränkte Anerkennung aller Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils ausgesprochen. Diese Anerkennung lehnen die Mitglieder der erzkonservativen Priesterbruderschaft Pius X. ab, darunter der Holocaust-Leugner Richard Williamson.
Der als besonders papsttreu geltende Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hatte die Kritiker laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ dafür scharf gemaßregelt. Die Betroffenen reagierten verwundert auf die angedrohten Sanktionen.
Das Schreiben Müllers sei „schon sehr befremdlich und nicht nachvollziehbar“, sagte die Inhaberin des Kirchenrechtslehrstuhls der Regensburger Universität, Sabine Demel, am Dienstag. „Ein gewisses Befremden, angesichts der Tatsache, dass es kein Gespräch vorher gab, kann ich nicht verhehlen“, sagte auch der Religionspädagoge Burkard Porzelt. Der ebenfalls betroffene Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Müller fordert Treueeid
Müller hatte die drei Professoren aufgefordert, sich binnen zwei Wochen von der Petition, in der es um die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die Piusbruderschaft geht, zu distanzieren. Darüber hinaus drohte er weitere Schritte an, womit der Entzug der Lehrerlaubnis gemeint sein dürfte.
Auslöser war für Müller offensichtlich, dass in der im Internet veröffentlichten Erklärung auch der Papst kritisiert wird. Ohne Vorbedingungen sei die Exkommunikation des Holocaust-Leugners Williamson und der anderen Bischöfe der Piusbruderschaft aufgehoben worden, lautet ein Vorwurf. Die Petition, die auch eine Solidaritätserklärung an die Adresse der Juden ist, wurde bislang von zahlreichen Gläubigen unterzeichnet.
Das Bistum Regensburg wollte keine Stellungnahme zu dem Schreiben an die drei Hochschullehrer abgeben. „Wir möchten uns zu dem Vorgang nicht weiter äußern“, sagte ein Bistumssprecher. In dem Brief werden die Professoren auch aufgefordert, vor Bischof Müller einen Treueeid auf die Lehre der katholischen Kirche abzulegen.
Welle der Solidarisierung erwartet
Die drei Hochschullehrer wollen nun zunächst einmal gemeinsam eine Reaktion auf das Schreiben diskutieren, auch mit ihren anderen Kollegen in der Regensburger Fakultät. Demel erklärte, dass bei der Petition nicht einzelne Details überbewertet werden dürften. Wer eine solche Petition unterstütze, müsse schauen, „ob die große Linie stimmt“, und dürfe „nicht auf Einzelformulierungen rumhacken“, sagte sie.
Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“, die die Petition ebenfalls unterstützt, kritisierte den Müller-Brief als „vollkommen falsches Signal“. Nicht die Professoren würden das Papst-Amt beschädigen, sondern die Pius-Bruderschaft. „Jetzt will man den bestrafen, der auf den Feuermelder gedrückt hat und versucht, den Brand zu löschen.“ Mit seiner Androhung von Sanktionen gegen die Professoren werde Müller keinen Erfolg haben, meinte Weisner. „Das wird eine Solidaritätswelle von anderen Professoren auslösen.“
fol/dpa
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16.2.2009 - Spiegel-online
Bischof maßregelt Papst-Kritiker
In der katholischen Kirche rumort es weiter: Der Regensburger Bischof Müller fordert eine Entschuldigung von Theologie-Professoren, die eine papstkritische Petition unterschrieben haben. In Österreich dagegen wird Benedikt XVI. von der kompletten Bischofskonferenz kritisiert.
Regensburg/Wien - Nach der Debatte um die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe geht der Streit um den richtigen Kurs in der katholischen Kirche in die nächste Runde: Der als besonders papsttreu geltende Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat drei kirchenkritische Professoren der katholisch-theologischen Fakultät in der Domstadt scharf gemaßregelt, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
Der Regensburger Bischof Gerhard Müller: Theologen sollen sich beim Papst entschuldigen Die drei Theologen hatten eine Petition für die uneingeschränkte Anerkennung aller Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils unterschrieben, was die Mitglieder der erzkonservativen Priesterbruderschaft Pius X. ablehnen.
Müller wirft den Professoren dem Bericht zufolge vor, Papst Benedikt XVI. beleidigt zu haben und fordert eine schriftliche Distanzierung von der Petition innerhalb von zwei Wochen. Das Entschuldigungsschreiben werde er dann an den Papst weiterleiten, schreibt Müller. Außerdem müssten sie vor ihm, Müller, erscheinen und das Glaubensbekenntnis sowie einen Treueeid auf die Lehre der katholischen Kirche ablegen, schreibt die Zeitung. Andernfalls drohten "weitere Schritte", womit der Entzug der Lehrbefugnis gemeint sein dürfte.
Kopien seines Briefes schickte der Regensburger Bischof laut dem Zeitungsbericht unter anderem an den Präfekten der Glaubenskongregation, William Joseph Levada, neben dem Papst der oberste Glaubenswächter im Vatikan.
Aus Österreich kommt dagegen neue Kritik am Papst: Nach einem fast sechsstündigen Krisentreffen in Wien veröffentlichten die Bischöfe am Montag einen Hirtenbrief, in dem es heißt, dass bei der Ernennung des Priesters Gerhard Maria Wagner zum Linzer Weihbischof das früher übliche Auswahlverfahren nicht eingehalten worden sei. Der als erzkonservativ geltende Wagner hatte am Sonntag nach massiven Protesten aus der österreichischen katholischen Kirche auf das Weihbischofsamt verzichtet.
Im Hirtenbrief heißt es, das im katholischen Kirchenrecht festgelegte Verfahren zur Ernennung habe sich bewährt, "wenn dieses Verfahren auch wirklich eingehalten wird". Bevor der Papst die letzte Entscheidung treffe, müsse es dafür "verlässliche und umfassend geprüfte Grundlagen geben, auf die er sich stützen kann". Die Gläubigen erwarteten mit Recht, "dass das Verfahren der Kandidatensuche, die Prüfung der Vorschläge und die letzte Entscheidung sorgfältig und mit pastoralem Gespür vorgenommen werden". Dadurch könne "sicher gestellt werden, dass Bischöfe nicht "gegen", sondern "für" eine Ortskirche ernannt werden."
Außerdem kritisieren die Bischöfe "Kommunikationsfehler" im Vatikan. Damit bezogen sie sich auf die umstrittene Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft Pius X., darunter der Holocaust-Leugner Richard Williamson.
Nach der Ernennung Wagners Ende Januar war es in der Alpenrepublik zu einer Welle von Protesten und Kirchenaustritten gekommen. Den Rückzug des ultrakonservativen Geistlichen nahm die Bischofskonferenz am Montag lediglich "zur Kenntnis". Kardinal Christoph Schönborn bestätigte später, dass der Vatikan das Gesuch des Priesters angenommen habe.
In ihrem Hirtenbrief zeigten die zehn Bischöfe tiefes Verständnis für "die Sorge und Verärgerung in und außerhalb der Kirche", die die jüngsten Entscheidungen des Vatikans hervorgerufen hätten. "Wir schulden den Menschen ein Wort der Klärung, wollen aber auch der Hoffnung Ausdruck geben, dass mit jeder Krise Chancen verbunden sind."
Während die Bischofskonferenz die Position Benedikts in der Frage des Holocaust-Leugners Richard Williamson unterstützte, machte der Brief deutlich, dass bei der Entscheidung im Vatikan Fehler gemacht wurden. "Wir hoffen, dass es gelingen wird, die unzureichenden Kommunikationsabläufe auch im Vatikan zu verbessern, damit der weltweite Dienst des Papstes nicht Schaden erleidet."
Für den Münsteraner Theologen Klaus Müller ist der innerkirchlichen Protest in Österreich nicht überraschend. Dies sei ein "ganz gesunder Vorgang", sagte er dem "Kölner Stadtanzeiger" Im Lauf der Jahrhunderte habe Rom die Mitwirkungsrechte von Gläubigen und Priestern am Ort "systematisch beschnitten" und "die legitime Beteiligung der Ortskirchen auf ein Minimum reduziert.
sac/dpa
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15.2.2009 - www.ekklesia.co.uk
Catholics petition for a return to the reforming spirit of Vatican II
By staff writers
Concerned Catholics have launched a petition calling on the Church to recognise and follow through on the reforms of the Second Vatican Council, after recent papal actions that seem to point in a different direction.
The online statement, inviting open signatories - unlike another one eulogising Pope Bendedict's overtures to ultra-conservatives - has been prepared by Professor Dr Norbert Scholl, in Essen, Germany. An English translation has been created by We Are Church UK.
The petition sets out a positive agenda for theological and social change within the Catholic tradition, and acknowledges evidence within the hierarchy of "a desire to return to a pre-Vatican II Church with its fear of openness to the breath of the Holy Spirit, a positive appreciation of ‘the signs of the times’, and the values of democratic institutions."
The complete petition statement
For the full recognition of the decrees of the Second Vatican Council
The papal cancellation of the excommunication of bishops from The Society of St Pius X signifies the reception into full communion with the See of Rome those who have consistently opposed the reforms of the Second Vatican Council.
Regarding the anti-Semitic remarks and the denial of the German national-socialist persecution of the Jews by Bishop Richard Williamson and his followers, we share the indignation of our Jewish sisters and brothers. Moreover, we state that the SSPX’s attitude towards Judaism does not correspond to the Council’s understanding of and commitment to Jewish-Christian dialogue. We support the recent statements of Bishops’ Conferences, and others, all over the world, on this issue. We also welcome the recent statements made on these matters by Pope Benedict XVI and the Vatican’s Secretariate of State.
We believe that the close correlation between the excommunication’s cancellation and the 50th anniversary of the calling of a General Council of the Church by Blessed Pope John XXIII gives a clear indication of the direction which the present Papacy wishes to take. We sense a desire to return to a pre-Vatican II Church with its fear of openness to the breath of the Holy Spirit, a positive appreciation of ‘the signs of the times’, and the values of democratic institutions.
We are very concerned that this act of rehabilitation heralds a turn-around on important documents of Vatican II, for example, the decree on ecumenism “Unitatis Redintegratio”, the declaration on non-Christian religions “Nostra Aetate”, the declaration on religious liberty “Dignitatis Humanae” and the Pastoral Constitution on the Church in the Modern World, “Gaudium et Spes”. Such an act will have a disastrous effect on the credibility of the Roman-Catholic Church. For Catholics who love their Church, the price is too high!
The Pope hopes this act will help unify the Church. However we think it is particularly outrageous that the Vatican’s renewed overtures to a schismatic traditionalist movement have been undertaken without the imposition of any conditions whatsoever. In June 2008, on the occasion of the 20th anniversary of Levebvre’s excommunication, the SSPX rejected the invitation of the Holy See towards theological reconciliation. Likewise, the fraternity rejected the invitation to sign a five-topic declaration containing conditions for its re-integration in the Roman Church.
A return to full communion with the Catholic Church can only be made possible if the documents and teachings of the Second Vatican Council are fully accepted without any reservations, as requested by the motu proprio “Summorum Pontificum” on the topic of the Tridentine rite. It is also imperative that the papal ministries of Blessed Pope John XXIII, Pope Paul VI, Pope John Paul I, Pope John Paul II, and Pope Benedict XVI are recognised and accepted.
The Church of Rome, perceived as the Barque of St Peter, lists heavily as long as the Vatican:
• only rehabilitates the “lost sheep” at the traditionalist edge of the Church, and makes no similar offer to other excommunicated or marginalised Catholics • persists in preventing progressive theologians from teaching • refuses dialogue with all movements in the Church
We Are Church UK, 5 February 2009 (Based upon an original text by Professor Dr Norbert Scholl, Essen, Germany)
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9.2.2009 - Independent Catholic News
Petition calls for implementation of Vatican II decrees
A group of Catholic theologians in Germany, Austria and Switzerland has launched a petition for the full recognition and implementation of the decrees of the Second Vatican Council, in the wake of the annulment of the excommunication of bishops belonging to The Society of St Pius X.
The list of signatures will be handed over to the Vatican, national Bishops' Conferences and official lay organisations.
The Petition states:
The papal cancellation of the excommunication of bishops from The Society of St Pius X signifies the reception into full communion with the See of Rome those who have consistently opposed the reforms of the Second Vatican Council.
Regarding the anti-Semitic remarks and the denial of the German national-socialist persecution of the Jews by Bishop Richard Williamson and his followers, we share the indignation of our Jewish sisters and brothers. Moreover, we state that the SSPX's attitude towards Judaism does not correspond to the Council's understanding of and commitment to Jewish-Christian dialogue. We support the recent statements of Bishops' Conferences, and others, all over the world, on this issue. We also welcome the recent statements made on these matters by Pope Benedict XVI and the Vatican's Secretariate of State.
We believe that the close correlation between the excommunication's cancellation and the 50th anniversary of the calling of a General Council of the Church by Blessed Pope John XXIII gives a clear indication of the direction which the present Papacy wishes to take. We sense a desire to return to a pre Vatican II Church with its fear of openness to the breath of the Holy Spirit, a positive appreciation of "the signs of the times", and the values of democratic institutions.
We are very concerned that this act of rehabilitation heralds a turn-around on important documents of Vatican II, for example, the decree on ecumenism "Unitatis Redintegratio", the declaration on non-Christian religions "Nostra Aetate", the declaration on religious liberty "Dignitatis Humanae" and the Pastoral Constitution on the Church in the Modern World, "Gaudium et Spes". Such an act will have a disastrous effect on the credibility of the Roman-Catholic Church. For Catholics who love their Church, the price is too high!
The Pope hopes this act will help unify the Church. However we think it is particularly outrageous that the Vatican's renewed overtures to a schismatic traditionalist movement have been undertaken without the imposition of any conditions whatsoever. In June 2008, on the occasion of the 20th anniversary of Levebvre's excommunication, the SSPX rejected the invitation of the Holy See towards theological reconciliation. Likewise, the fraternity rejected the invitation to sign a five-topic declaration containing conditions for its re-integration in the Roman Church.
A return to full communion with the Catholic Church can only be made possible if the documents and teachings of the Second Vatican Council are fully accepted without any reservations, as requested by the motu proprio "Summorum Pontificum" on the topic of the Tridentine rite. It is also imperative that the papal ministries of Blessed Pope John XXIII, Pope Paul VI, Pope John Paul I, Pope John Paul II, and Pope Benedict XVI are recognised and accepted.
The Church of Rome, perceived as the Barque of St Peter, lists heavily as long as the Vatican:
*only rehabilitates the 'lost sheep' at the traditionalist edge of the Church, and makes no similar offer to other excommunicated or marginalised Catholics *persists in preventing progressive theologians from teaching *refuses dialogue with all movements in the Church
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9.2.2009 - Süddeutsche Zeitung
DIE BESTEN BLOGS ZU: Papst und Bruderschaft
In keinem Land hat die Rücknahme der Exkommunikation des Holocaust-Leugners Richard Williamson so hohe Wellen geschlagen wie in Deutschland. Und nirgendwo wird auch in Internetforen und Blogs so erbittert über die Rolle der erzkonservativen Pius-Bruderschaft sowie mögliche Fehler Papst Benedikt XVI. diskutiert wie hierzulande – auch in den verschiedenen katholischen Lagern.
Auf kreuz.net sammeln sich die Sympathisanten der Pius-Brüder. Auf der Seite unterstützt man offen die Aufhebung der Exkommunikation Williamsons. Unverhohlen und in drastischer Sprache hetzen die Autoren der Hauptartikel und die Forenschreiber auch gegen Juden. Einer, der sich „aufrechterkatholik” nennt und noch zu den gemäßigteren Stimmen zählt, schreibt: „Es ist würdig und recht, die Unterschiede nicht zu verwischen. Wer in einer sexuellen Doppelbeziehung sündhaft lebt und somit der (heterosexuellen) Unzucht huldigt, ist natürlich zu exkommunizieren! Und das ist wesentlich schlimmer, als (das wird man ja doch wohl noch sagen dürfen), gewissen Details des sog. Holocaust zu leugnen. Aber ich vermute, die Linksaltliberalistischen werden noch andere scheinbare Vergehen der Frommen herauskramen und damit die Öffentlichkeit schockieren! Ach, hätten wir doch noch den einen oder anderen Scheiterhaufen, jawoll!”
In eine ähnliche Richtung stößt „Der Ruf einfacher Katholiken” auf der französischsprachigen Seite www.soutienabenoitxvi.org: Bereits 31610 Erwachsene mit 57551 Kindern (Stand von Sonntagmittag) sollen dem Papst ihre uneingeschränkte Solidarität versichert haben. „Dieser Brief vereint katholische Gläubige der ganzen Kirche, denen es daran gelegen ist, den Papst in seiner mutigen Geste zu unterstützen.”
Die Fraktion der gemäßigt konservativen, vatikannahen Katholiken, die sich vor allem unter kath.net austauschen, hat ihre eigene Pro-Benedikt-Initiative ins Leben gerufen. Unter www.ja-zu-benedikt.net haben bisher 4280 Katholiken, unter ihnen auch fast 400 Priester, Benedikt XVI. ihre Solidarität bekundet. Auf kath.net und den angeschlossenen web.2.0-Plattformen wie kathtube lassen die Konservativen Menschen zu Wort kommen, die den Papst unterstützen, nicht aber die Thesen der Pius-Bruderschaft.
Anstoß nehmen Leser wie Autoren auf der Hauptseite vor allem an den Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Freiburger Pastoraltheologe Professor Hubert Windisch schreibt: „Wie kommt also jemand, der wahrscheinlich katholische Kirchen nur bei Führungen im Zusammenhang von Staatsbesuchen oder bei pflichtgemäßer Teilnahme an Trauerfeiern von innen kennt, dazu, sich plötzlich um die katholische Kirche zu sorgen? … Frau Merkel hat sich am 3. Februar 2009 als Anti-Papst-Kanzlerin erwiesen. Für deutsche Katholiken ist sie nicht mehr wählbar.”
Zwar sorgt die öffentliche Debatte in Deutschland vor allem in den papstnahen Lagern für Online-Diskussionen. Doch auch die liberaleren Katholiken sammeln sich im Internet. Die Bewegung „Wir sind Kirche” unterstützt eine Petition, die den Papst dazu auffordert, die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils uneingeschränkt anzuerkennen. Unter www.petition-vaticanum2.org haben sich deutsche, österreichische und Schweizer Theologen sowie einfache Christen solidarisiert.
Zusammengestellt von Katja Riedel
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3.2.2009 - Süddeutsche Zeitung
„Ärger, Unmut, Empörung”
Katholiken kritisieren Gnadendekret des Papstes für Holocaust-Leugner / Ämter melden mehr Kirchenaustritte
Von Charlotte Frank und Johann Osel
München – Nur vier Worte braucht Christian Weisner, um die Stimmung zu beschreiben, die in diesen Tagen Katholiken aus ganz Deutschland umtreibt: „Ärger, Unmut, Enttäuschung, Empörung”. So fasst der Vorsitzende der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche” zusammen, wie sich viele Katholiken fühlen, seit Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von Bischöfen der traditionalistischen Pius-Bruderschaft aufgehoben hat, unter ihnen der bekennende Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson.
Eine kritische Online-Petition von „Wir sind Kirche”, in der die Unterzeichner die „uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils” fordern, haben allein binnen drei Tagen mehr als tausend Menschen unterschrieben, sagt Weisner, vom renommierten Theologieprofessor über hohe kirchliche Funktionsträger bis hin zum katholischen Gemeindemitglied. Dass die Petition die Entscheidungen des Papstes in ungewöhnlich scharfen Sätzen angreift – etwa: „Diese Rückwärtswendung lässt die Rückkehr von Teilen der römisch-katholischen Kirche in eine antimodernistische Exklave befürchten” – scheint die Unterzeichner dabei kaum zu stören. Im Gegenteil: „Die Zuschriften gehen bei uns im Minutentakt ein”, sagt Christian Weisner, die Entrüstung im Kirchenvolk sei immens.
Das bekommen auch die Mitarbeiter zahlreicher Standesämter in Deutschland zu spüren – die Behörden sind zuständig für die Kirchenaustritte evangelischer und katholischer Christen. In der Stuttgarter Innenstadt etwa wurden allein am Montag sechs Austritte aus der katholischen Kirche gemeldet. „An normalen Tagen sind es im Durchschnitt zwei Austritte”, sagt eine Mitarbeiterin. So stehen den sechs jüngsten Austritten in Stuttgart-Innenstadt 63 Austritte im gesamten Monat Januar gegenüber.
Auch in Saarbrücken wird ein leichter Anstieg der Kirchenaustritte im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet: „In den vergangenen zwei Wochen wurden bei uns 17 Austritte aus der katholischen Kirche registriert”, sagt eine Mitarbeiterin, das sei etwas mehr als im Vergleichszeitraum 2008. Und Jürgen Mannebeck vom Amtsgericht Köln, das in Nordrhein-Westfalen für Kirchenaustritte zuständig ist, sagt, eine Statistik liege ihm noch nicht vor, aber auch so sei einigen Kölner Rechtspflegern eine erhöhte Zahl von Austritten bereits aufgefallen. „Verlässliche Zahlen werden wir in den nächsten Wochen bekommen, wenn Statistiken vorliegen”, so Mannebeck.
Die öffentlich geäußerte Kritik aus dem katholischen Kirchenvolk an der Politik des Vatikans riss auch am Montag nicht ab – vielmehr wurde sie wegen der Ernennung des erzkonservativen Priesters Gerhard Maria Wagner zum neuen Linzer Weihbischof vom Wochenende noch befördert. Deutlich äußerte sich etwa Dirk Tänzler, der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Er nannte die Entscheidungen des Papstes „für die meisten Jugendlichen unverständlich”. Junge Katholiken würden im Freundeskreis, in der Schule oder am Ausbildungsplatz mit diesen Maßnahmen konfrontiert. „Sie müssen etwas rechtfertigen, was sie zum Großteil weder verstehen noch mittragen können oder wollen”, sagte Tänzler. Somit schade Benedikt XVI. nicht nur „dem Image der Kirche in Deutschland, sondern auch der katholischen Jugendarbeit”.
Ähnlich äußerte sich Stefan Vesper, der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Er sprach von „vielen Reaktionen voller Enttäuschung und Ratlosigkeit” und bedauerte, „dass die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage gestellt wird”. Es sei zwar eine wichtige Aufgabe des Papstes, sich um die Einheit der Kirche zu mühen, „die Einheit mit einigen darf aber nicht zu einer Erschütterung der großen Zahl von Menschen führen, die in der Mitte der Kirche sind”, sagte Vesper.
Derweil prüft der Zentralrat der Juden in Deutschland seine Teilnahme an der „Woche der Brüderlichkeit” in Hamburg. „Ich kann nicht ausschließen, dass unsere Gremien die Veranstaltungen in Frage stellen”, sagte Generalsekretär Stefan Kramer der Zeitung Die Welt. Die „Woche der Brüderlichkeit” wird seit 1952 vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit organisiert.